Wien Modern: Der „Turangalila“-Tsunami überschwemmte die Zuhörer
Wien (APA) - Olivier Messiaens monumentale „Turangalila“ ist ein musikalischer Orkan, ein Bombardement aus meist grellen Farben, bei dem das...
Wien (APA) - Olivier Messiaens monumentale „Turangalila“ ist ein musikalischer Orkan, ein Bombardement aus meist grellen Farben, bei dem das Orchester in Vollbesetzung über die Zuhörer hinwegfegt wie ein Tsunami. Mit diesem orgiastischen Charakter hat es die Symphonie aus 1949 geschafft, sich im Konzertrepertoire zu etablieren - und zugleich einen Auftritt bei Wien Modern 2017 ergattert.
Das RSO unter seinem in der kommenden Saison scheidenden Chefdirigenten Cornelius Meister interpretierte am Donnerstagabend im Musikverein das gut 80 Minuten lange Stück, das dort zuletzt erst am 10. Oktober in der Interpretation der Tonkünstler unter Yutaka Sado zu hören gewesen war - ein Zeichen für die Popularität des Stücks, das Messiaen als Auftragsarbeit für das Boston Symphony Orchestra geschrieben und im Zentrum einer Trilogie über Liebe und Liebestod positioniert hatte. Unter Leonard Bernstein kam das zehnteilige Werk 1949 zur Uraufführung und hat seither nichts von seiner Wucht verloren.
Messiaen griff als Titel bereits mit den beiden Sanskrit-Wörtern Turanaga und Lila das Bedeutungsfeld von Bewegung, Rhythmus und Liebe auf - und lieferte mit dem schon in der Besetzung schillernden Werk eines der raren Beispiele seine Oeuvres, in dem der katholische Glaube keine Rolle spielt. Der damals 40-jährige Messiaen verwendete für „Turangalila“ so ziemlich alles an Instrumenten am Markt außer Kuhglocken und Hackbrett. Klaviaturglockenspiel und Celesta, Röhrenglocken und Türkisches Becken und nicht zuletzt das elektronische Ondes Martenot gesellen sich hier zur großen Orchesterbesetzung samt Klavier.
Bei Messiaen kommt dem Ondes Martenot - klanglich eine elaborierte Form des Theremins - die Oberhoheit über die verbindenden, weicheren Passagen zu, was Nathalie Forget in vornehmer Zurückhaltung übernahm. Steven Osborne am Klavier kam hingegen vornehmlich die Aufgabe zu, auch in den hohen Registern und den eingestreuten Kadenzen auf sein Instrument einzuhämmern, den Rhythmus des Gesamtkorpus metallisch anzutreiben.
Messiaen streut dazu immer wieder auch Fragmente aus der Musik der Zeit ein, lässt seinen Klangappart kurzfristig immer wieder wie eine Pastiche auf die Orchesterjazzer a la Gershwin klingen, um dann wieder zur großen spätromantischen Geste oder einem Percussionfuror anzusetzen. Wirklich zur Ruhe kommt das Orchester auch unter Meister nie, obgleich dieser den seltenen Generalpausen durchaus ihren Raum lässt. In wilden Glissandi und krachendem Donner sinken die kulminierten Klänge im Abgang wie Ascheregen nach einer Explosion auf die Zuhörer nieder. Da schlackern selbst die stoischen Karyatiden des Goldenen Saals sprichwörtlich mit den Ohren. Applaus gab es dann am Ende aber doch nur vom Publikum.
(S E R V I C E - www.wienmodern.at)