Die russische Sicht der Welt ist auf dem Balkan allgegenwärtig
Belgrad (APA/dpa) - Kroatische Medien schwärmten: Russische Waffenbauer hätten das Präzisionsgewehr SVLK-14 Sumrak entwickelt, das mit einem...
Belgrad (APA/dpa) - Kroatische Medien schwärmten: Russische Waffenbauer hätten das Präzisionsgewehr SVLK-14 Sumrak entwickelt, das mit einem Treffer über 4.210 Meter einen „Weltrekord“ erzielt habe. Im Streit um die verweigerte Auslieferung des französischen Hubschrauberträgers „Mistral“ an Russland informierten serbische Medien, das jetzt entwickelte Landungsboot „Priboi“ stelle „Mistral“ deutlich in den Schatten.
Die Quelle dieser „Nachweise“ für die angebliche Überlegenheit russischer Waffentechnik: die Nachrichtenagentur „Sputnik“. Während die USA und die EU „Sputnik“ und seinen Bruder „RT“ (einst Russia Today) als gefährliches Propagandainstrument Russlands einstufen, beharrt Moskau darauf, es handle sich um seriöse Informationsquellen. Neben Deutsch verbreiten die beiden Medien ihre Beiträge auch in serbischer und kroatischer Sprache. Zeitungen und Internetportale in Kroatien, Serbien, Bosnien-Herzegowina oder Mazedonien übernehmen das kostenlose Material regelmäßig und meist eins zu eins unkommentiert. So erreichen Moskauer Positionen immer wieder große Bevölkerungsgruppen auf dem Balkan.
Russlands Gegner unterstellen, es wolle Einfluss als Gegengewicht zu Washington und Brüssel aufbauen und verfahre nach dem Rezept „teile und herrsche“. Aus ihrer Sicht heizt die Berichterstattung aus Moskau viele Konflikte an: Serben gegen Kroaten, Albaner gegen Serben, Serben gegen Mazedonier, Bosniaken gegen Serben, Montenegriner gegen Serben. Moskau wolle mit einer Verteufelung von EU und NATO verhindern, dass sich Staaten an euroatlantische Strukturen annähern - wie zuletzt im Fall Montenegro und Mazedonien. „Wenn Bosnien kollabiert, bekommen nicht nur die Serben einen (eigenen) Staat - Chancen dafür haben auch die Kroaten“, titelte „Sputnik“ vor zwei Wochen und befeuerte damit den ohnehin brodelnden nationalistischen Konflikt in diesem kleinen Balkanland.
Obwohl der Westen in den vergangenen zwei Jahrzehnten praktisch allein für Milliarden Euro-Hilfen an die Balkanländer stand, hat Moskau sich geschickt wirtschaftlichen Einfluss verschafft. Die Erdölindustrie in Serbien und bei den bosnischen Serben konnte es mit politischer Hilfe für einen Spottpreis kaufen und diktiert damit die Marktbedingungen.
In Kroatien hatten russische Banken - allen voran die Sberbank - dem heute bankrotten Lebensmittelriesen Agrokor auch dann noch Kredite zur Verfügung gestellt, als westliche Institute abwinkten. Vor kurzem sprach der russische Präsident Wladimir Putin in Moskau mit seiner kroatischen Amtskollegin Kolinda Grabar-Kitarovic über Wege aus dem Milliarden Euro-Dilemma. Der Vorstandschef des russischen Energieriesen Rosneft, Igor Setschin, elektrisierte die kroatischen Medien mit seinem Angebot, Kroatien könne mit dem Giganten eine „strategische Partnerschaft“ eingehen.
Einen Coup landete zuletzt der russische Botschafter in Serbien, Alexander Tschepurin. Via „Sputnik“ machte er sich über den für den Balkan zuständigen Abteilungsleiter im US-Außenministerium, Hoyt Brian Yee, lustig. Dieser ermahnte vor wenigen Tagen den EU-Beitrittskandidaten, er könne mit seinem besonders engen Verhältnis zu Russland nicht auf zwei Stühlen sitzen. Der US-Diplomat sei doch nur der „75. Vertreter des 24. Mitarbeiters des stellvertretenden Außenministers“ und daher bitte nicht ernst zu nehmen, sagte Tschepurin. Sein Spott schlug ein - bei der serbischen Nachrichtenagentur Tanjug, dem Belgrader TV-Sender N1, dem Staatsfernsehen, dem größten Privat-TV-Sender Pink und dem Portal B92.