Jamaika-Sondierung biegt auf Zielgerade ein

Berlin (APA/Reuters) - In den Jamaika-Sondierungen in Deutschland hat am Freitag eine entscheidende Phase begonnen. „Wir biegen jetzt ein au...

Berlin (APA/Reuters) - In den Jamaika-Sondierungen in Deutschland hat am Freitag eine entscheidende Phase begonnen. „Wir biegen jetzt ein auf die Zielgerade“, sagte CSU-Chef Horst Seehofer vor Beginn der Abstimmungen von CDU, CSU, FDP und Grünen in Berlin. Dabei sollen die vorliegenden Konsens-Papiere der Fachleute wie etwa im Bereich Europa oder Familie besprochen werden.

Sowohl CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt als auch FDP-Chef Christian Lindner verweisen auf Differenzen. „Ich bin ganz zuversichtlich, dass wir schon vor Ende der nächsten Woche die klare Einschätzung haben, ob man es überbrücken kann oder nicht“, sagte Lindner.

Am Freitag tagten zunächst die Parteien intern, um sich über den Stand der Expertengespräche in den verschiedenen Politikbereichen zu informieren. Dann wollen die erweiterten Spitzen der vier Parteien zusammenkommen und die ersten Papiere verabschieden. Nach einer Runde der Parteichefs und Verhandlungsführer soll dann am Nachmittag zunächst die große Runde der Vertreter von CDU, CSU, FDP und Grüne zusammentreten, bevor dann wieder im kleinen Kreis über weitere Sondierungs-Zwischenstände gesprochen werden soll. Ein Abschluss der Sondierungsgespräche ist für kommenden Donnerstag geplant.

Dobrindt und Grünen-Politiker dementierten am Freitag einen Zeitungsbericht, nachdem es im Bereich Verkehr bereits eine Einigung auf die Hardware-Nachrüstung bei besonders schmutzigen Dieselfahrzeugen und höhere Förderprämien für Elektroautos gegeben habe. Weit auseinander liegen die Parteien immer noch beim Thema Migration, wo Grüne und CSU sich beim Thema Familiennachzug nach Angaben aus Teilnehmerkreisen nicht angenähert haben. Im Bereich Finanzen lobte FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer, dass der CDU-Wirtschaftsflügel die Forderung nach einer Abschaffung des Soli und einer Steuerreform unterstützt. „Nach der aktuellen Steuerschätzung ist klar, die erforderlichen finanziellen Spielräume sind da“, sagte er zu Reuters.

Die Europa-Experten von CDU, CSU, FDP und Grüne treten laut Sondierungspapier dafür ein, in EU und Euro-Zone die Möglichkeiten für Investitionen zu stärken. „Notwendig ist eine angemessene Fähigkeit zu Investitionen und zur Abfederung asymmetrischer Wirtschafts-Schocks durch Mitgliedstaaten und EU“, heißt es in dem der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag vorliegenden Papier, dem die Parteispitzen noch zustimmen müssen. Diese müssen auch entscheiden, ob in dem Sondierungs-Zwischenstand die Ablehnung des vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron vorgeschlagenen eigenen Euro-Zonen-Budgets stehen soll.

Die Europa-Fachleute befürworten zudem einen „angemessenen deutschen Beitrag zum EU-Haushalt“ zu leisten. „Unser Ziel ist eine Gesamtmittelausstattung der EU, so dass sie die ihr übertragenen Aufgaben sachgerecht erfüllen kann“, heißt es. Hintergrund ist die Debatte über einen höheren deutschen Beitrag.

Beim Thema Türkei ist Konsens, dass keine weiteren Kapitel bei den EU-Beitrittsverhandlungen geschlossen oder geöffnet werden sollen. Noch kein Konsens besteht dagegen darüber, ob sich die deutsche Bundesregierung für den etwa von der FDP geforderten völligen Abbruch der Beitrittsverhandlungen einsetzen soll.

CSU-Chef Seehofer äußerte sich vorsichtig optimistisch zu den Verhandlungen. „Wir verhandeln hart, aber sehr lösungsorientiert“, sagte er. „Wir wissen um unsere Verantwortung gegenüber der Bevölkerung. Die werden wir wahrnehmen.“ Die große Mehrheit wolle eine stabile Regierung für Deutschland. Der Zeitplan, bis Ende kommender Woche zu einem Sondierungs-Ergebnis zu kommen, werde eingehalten. Es sei völlig normal, dass es bei so unterschiedliche Parteien eines manchmal schwierigen „Prozesses“ brauche, bis man zueinander finde. Er dementierte ebenso wie CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, dass die CSU wegen der parteiinternen Querelen um seine Person in den Verhandlungen geschwächt sei. Zuletzt hatten sich die Grünen besorgt geäußert, dass die CSU in den Sondierungen eine immer härtere Haltung einnehme.

Sowohl Dobrindt als auch CDU-Vize Julia Klöckner betonten, dass es bei der Bildung einer Jamaika-Regierung nicht nur um den Koalitionsvertrag gehe. Es müsse auch sichergestellt werden, dass ein Bündnis ein gemeinsames Verständnis für die Bewältigung neuer Probleme entwickle, sagten beide Unions-Politiker. „Eine Stillstandskoalition braucht niemand“, warnte Dobrindt mit Blick auf die kommenden vier Jahre.