Frankreichs konservative Ex-Außenministerin für EU-Sozialunion
Wien (APA) - Die konservative frühere französische Außenministerin Michele Alliot-Marie unterstützt die Vorschläge von Präsident Emmanuel Ma...
Wien (APA) - Die konservative frühere französische Außenministerin Michele Alliot-Marie unterstützt die Vorschläge von Präsident Emmanuel Macron für eine EU-Sozialunion. „Wenn wir wollen, dass Europa eine echte Wirtschaftsmacht wird, muss es eine Einheit geben“, argumentierte die EU-Abgeordnete der Europäischen Volkspartei (EVP) im Gespräch mit der APA in Wien.
„Es geht nicht darum, dass man das von heute auf morgen macht. Es geht darum, dass man in Richtung eines Systems geht, wo die Steuern in ganz Europa gleich sind, wo die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung in ganz Europa gleich sind“, erklärte die gaullistische Politikerin, die etwa als Außen-, Verteidigungs-, Innen- und Justizministerin in verschiedenen französischen Regierungen gedient hatte. Dafür müssten etwa die europäischen Richtlinien auf die gleiche Weise in ganz Europa angewendet werden. „Das ist heute nicht der Fall.“
Im Gegensatz zu Alliot-Maries Position spricht sich ÖVP-Chef Sebastian Kurz, dessen Partei ebenfalls der EVP angehört, gegen eine Sozialunion aus.
Macron hatte Ende September in einer viel beachteten Rede seine Vision für die Zukunft der Europäischen Union dargelegt. „Ich denke, dass die allgemeine Ausrichtung - bezüglich einer stärkeren fiskalen, sozialen Integration oder mehr Transparenz - gut ist.“ Skeptisch zeigt sich Alliot-Marie hingegen bezüglich Macrons Vorschlag zu europaweit einheitlichen Wahllisten bei den EU-Wahlen. „Das hat das Risiko, dass es die europäischen Abgeordneten noch mehr von den Wählern entfernt“, warnte sie. Es verschlechtere noch weiter das Bild der europäischen Repräsentanten, wenn man die Kandidaten gar nicht mehr kenne.
Zur Lage in Saudi-Arabien sagte die Vorsitzende der Delegation des Europäischen Parlaments für die Beziehungen zur Arabischen Halbinsel, dass Kronprinz Mohammed bin Salman eine „sehr voluntaristische Sprache bezüglich ökonomischer und sozialer Fragen“ pflege. Damit meinte sie etwa seine „Vision 2030“ oder seine Versprechungen für mehr Rechte für Frauen. „Wir werden sehen, ob es sich um eine Palastrevolution handelt oder um eine Wende in der Politik Saudi-Arabiens.“
Den Konflikt zwischen Riad und dem Iran beobachtet sie gleichzeitig mit Sorge: „Die Worte sind sehr stark. Als frühere Außenministerin weiß ich, dass man darauf achten soll, dass ein Wort keine Taten nach sich zieht.“ Sie betonte: „Beide Länder sind essenziell für das wirtschaftliche Gleichgewicht der Welt.“ Ein bewaffneter Konflikt in dieser Region hätte daher „Auswirkungen auf die ganze Welt“, befürchtet die Politikerin.
Zur Situation ihrer eigenen politischen Partei, der Republikaner (LR), fand die gaullistische Politikerin klare Worte: „Man sollte aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Ich glaube, es war ein Fehler (im Jahr 2002, Anm.), eine einheitliche Partei, die UMP, zu gründen.“ In dieser hatte sich die gaullistische RPR, deren Präsidentin Alliot-Marie damals war, mit Zentristen, Liberalen und linksliberalen Radikalen zusammengeschossen. „Man wollte, dass alle gleich denken.“ Alliot-Marie hatte den Zusammenschluss auch damals schon kritisiert.
Das sei auch der Grund gewesen, warum die Partei, die seit 2015 Republikaner heißt, an Unterstützung in der Bevölkerung verloren habe, argumentierte die Ex-Außenministerin. Durch die Schaffung einer Einheitspartei, in der die verschiedenen politischen Profile in den Hintergrund traten, sei „das Angebot an die Wähler verarmt worden“. Die Menschen hätten ihre unterschiedlichen Ansichten nicht mehr in der Politik wiedergefunden, kritisierte sie. Alliot-Marie plädiert daher für eine Wiederherstellung der unterschiedlichen politischen Identitäten des Mitte-Rechts-Spektrums bei gleichzeitiger Kooperation: „Eine permanente Zusammenarbeit“ unter einem gemeinsamen Dach, wie sie sagte.
Alliot-Marie hielt am Freitag einen Vortrag im Rahmen der Veranstaltung „Die EU am Weg zur Sicherheits- und Verteidigungsunion“ in der Diplomatischen Akademie, die vom Austria Institut für Sicherheits- und Verteidigungspolitik (AIES), der Politischen Akademie der ÖVP und dem Wilfried Martens Centre for European Studies gemeinsam veranstaltet wurde.
( Das Gespräch führte Petra Edlbacher/APA)