Ein Herbarium, in dem es um Menschen geht
Annelies Senfter macht Pflanzen zu sehr speziellen Zeitzeugen.
Innsbruck –Das von Annelies Senfter angelegte Herbarium ist ein sehr spezielles. Ist die Lienzerin doch nicht Botanikerin, sondern Künstlerin. Für die Bäume Zeitzeugen der ganz besonderen Art sind. Für ihren Zyklus „Asking the trees II“, den die 37-Jährige in der Andechsgalerie zeigt, hat sie sich auf die Suche nach den Gärten in Tirol und Vorarlberg während der NS-Zeit enteigneter jüdischer Menschen gemacht. Sie sind in Konzentrationslagern oder auf der Flucht gestorben, schafften es im besten Fall in die Emigration. Überlebt haben die Bäume, die sie gepflanzt haben. Ihre Wurzeln sind inzwischen alt, ihre Blätter aber immer wieder neu.
Trotz dieses ewigen Kreislaufs taugen diese Bäume für Senfter als stumme Zeugen von Unrecht. Um daran zu erinnern, hat die Künstlerin auf der Basis intensiver Recherchen aus jedem der Gärten einen kleinen Ast mitgenommen und ganz in der Manier klassischer Herbarien gerahmt. Versehen mit einem Text, in dem es allerdings nicht um Botanisches, sondern um die ehemaligen Besitzer der Bäume geht. Etwa um die Familie Turteltaub, deren Pradler Gemischtwarenhandlung 1938 arisiert wurde. Aus dem Garten Karl Bauers, dem vor seiner Flucht in die USA der Vorläufer des Kaufhauses Tyrol gehört hat, stammt das Ästchen eines Walnussbaums, das einer Robinie kommt aus dem Garten des in Theresienstadt ermordeten Theodor Elkan, des letzten Vorstehers der jüdischen Gemeinde Hohenems. Kombiniert hat Annelies Senfter ihr „Herbarium“ mit wunderbar unsentimentalen, sehr freien textlichen Assoziationen. (schlo)
Ausstellung
Galerie im Andechshof. Innrain 1, Innsbruck; bis 3. Dezember, Mi—Fr 15—19 Uhr, Sa, So 15—18 Uhr