Staubsauger-Kunst im brasilianischen Senat - Putzmann wurde zum Star

Brasilia (APA) - Er hat in seinem Leben nur drei Kunstwerke gefertigt, trotzdem ist er ein kleiner Star. Und das nicht nur, weil er für sein...

Brasilia (APA) - Er hat in seinem Leben nur drei Kunstwerke gefertigt, trotzdem ist er ein kleiner Star. Und das nicht nur, weil er für seine Werke nicht viel mehr braucht als einen Staubsauger. Clodoaldo Silva Santos ist der Name dieses kreativen Geistes. Der 46-Jährige ist Chef der Reinigungstruppe im Kongress von Brasilia und berühmt, vor allem weil er als Künstler stets am Teppich bleibt.

Unter der Woche herrscht im politischen Brasilia Hochbetrieb - nicht nur unter Politikern, wegen der Krise, die zurzeit das größte südamerikanische Land in Atem hält. Zuletzt wurde heftigst über Korruptionsvorwürfe gegen den amtierenden Präsidenten Michel Temer diskutiert.

Das Kongressgebäude beherbergt das Unterhaus mit 513 Abgeordneten und den Senat mit 81. Hinzu kommen hunderte Beamte und Angestellte und täglich mehrere hundert Besucher, die das Epizentrum der Macht, aber vor allem die berühmte Avantagrde-Architektur Oscar Niemeyers bewundern wollen. Da kommen sie auch an Clodoaldos Werk vorbei.

Den Senatssaal kennt fast jeder erwachsene Brasilianer, dort fallen die wichtigen Entscheidungen. Etwa vor gut einem Jahr, als die Senatoren Ende August endgültig die Amtsenthebung Dilma Rousseffs beschlossen.

Von der Besuchertribüne des Saals sind Clodoaldos Werke bestens zu bestaunen. Alles ist in Blautönen gehalten. Natürlich sitzt der Senatspräsident einen Tick höher als die Senatoren. Zwischen ihnen liegt eine Stufe, die sich wellenartig sanft geschwungen sich zu den Abgeordneten hin senkt. Eine Welle, komplett verkleidet mit feinstem Langflorteppichboden - durch die Pulte der Stenografen in drei Teile geteilt.

Links erkennt man ein Abbild der Kathedrale Brasilias, ebenfalls von Oscar Niemeyer entworfen. Rechts die beiden Twintowers des Kongressgebäudes und in der Mitte die Fahne Brasiliens - alle drei nur mit einem Staubsauger gegen den Strich des Teppichbodens gebürstet: der Clodoaldo-Triptychon.

Ende 1996 begann Clodoaldo Silva im Reinigungsteam des Kongresses zu arbeiten. Ein gutes Jahr später, im April 1998 wurde sein Sohn Marcus Vinícius geboren. Im Überschwang der Freude ging der Raumpfleger eines Morgens besonders engagiert zu Werke - vielleicht gingen mit ihm sogar ein wenig die Gäule durch - und er hinterließ als patriotischen Geburtsgruß an den Sohnemann die brasilianische Landesflagge im Teppichboden des Senatssaals. Dabei hatte er nie zuvor auch nur ein Bild gemalt, wie er beteuert.

Hat jemand anschließend geschimpft? „Nein, die Fahne hat des Senatoren gut gefallen“, sagt Clodoaldo, „es gab keine Kritik, nur Lob.“ Die Fahne durfte bleiben, bin zum heutigen Tage. Bei den anderen Motiven musste er ein wenig experimentieren, bis sie öffentlich vorzeigbar waren. Inzwischen sind sie lange marktreif und ebenfalls zum Markenzeichen des Senatssaals geworden.

Clodoaldos Kunst ist vergänglich. Alle zwei Wochen müssen die Bilder aufgefrischt werden. Wie bei einer Tafel wird das alte Bild mit dem Sauger weggewischt, um kurz drauf wieder neu zu entstehen. Das macht Clodoaldo persönlich und ausschließlich, versteht sich. Urlaubsvertretung gibt es nicht. „Das mache immer ich“, sagt er.

Im Laufe der Zeit hat er sie sogar noch etwas verfeinert. So war der Schriftzug „Ordem e progresso“ („Ordnung und Fortschritt“) anfangs nicht enthalten. Nun ist er perfekt zu lesen, auch wenn die Buchstaben klein sind. Dafür hat Clodoaldo sich einen Trick ausgedacht. Aus der Brusttasche zieht er einen Kugelschreiber. „Damit ritze ich den Schriftzug.“