Wien Modern: Staud-Oper „Die Antilope“ als bunte Außenseiterfabel

Wien (APA) - Für Staatsoperndirektor Dominique Meyer sind der Innsbrucker Komponist Johannes Maria Staud und der Dresdner Librettist Durs Gr...

Wien (APA) - Für Staatsoperndirektor Dominique Meyer sind der Innsbrucker Komponist Johannes Maria Staud und der Dresdner Librettist Durs Grünbein ein Paar wie Mozart und Da Ponte oder Richard Strauss und Hofmannsthal. 2004 wurde ihre Oper „Berenice“ uraufgeführt, im Herbst 2018 kommt „Die Weiden“ als Staatsopern-Auftragswerk heraus. Ihre zweite gemeinsame Oper, „Die Antilope“, ist jetzt in Wien zu sehen.

„Die Antilope“ ist kein Ausflug in die afrikanische Savanne, sondern in die auf Oberflächlichkeit und Funktionalität getrimmte Gesellschaft von heute. Es beginnt auf einer ausgelassenen Firmenparty, bei der der sonst so stille Angestellte Victor (Wolfgang Resch) die Rede ergreift, als der Firmenchef mit Nasenbluten ausfällt. Doch Victor kann sich nicht verständlich machen - er spricht (bzw. singt) offenbar Antilopisch. Mit seinem Sprung aus dem Fenster des im 13. Stock gelegenen Raums beginnt ein albtraumhaftes Taumeln durch ein Vielzahl surrealer Szenen in Park, Zoo oder Kaffeehaus. „Das Thema der Oper ist die Kommunikationslosigkeit heute in einer Welt der hermetischen sozialen Codes“, sagt Staud. „Dennoch haben wir nie versucht zu psychologisieren. Psychologie ist und bleibt der Tod der Kunst.“

Statt auf Psychologisierung setzt Ex-Volksopern-Direktor Dominique Mentha in seiner nun von der Neuen Oper Wien im Rahmen des Festivals Wien Modern in veränderter Besetzung ins Museumsquartier transferierten Luzerner Uraufführungsproduktion von 2014 auf Ästhetisierung. Die Ausstatter Ingrid Erb und Werner Hutterli haben klare, schön geleuchtete Räume geschaffen, die an surrealistische Kunst-Tableaus erinnern. Victors zentrale Begegnung mit einer abstrakten Skulptur, die überraschender Weise in Victors Kunstsprache zu singen versteht, passt gut in diese Umgebung. Leitmotivisch sind jedoch schwarze Tiermasken, Kopfbedeckungen, die aus der Gruppe Angestellten ein Rudel Tiere machen, und für eine tolle Eingangsszene sorgen.

Die von Dirigent Walter Kobera und dem amadeus ensemble-wien erfrischend umgesetzte Partitur ist überaus reizvoll. Sie gönnt sich afrikanische und animalische Anklänge, setzt auf Klang-Cluster und Elektronik, hat aber auch keinen Genierer, passagenweise wie eine Tanzcombo oder ein fetter Film-Soundtrack zu klingen oder die unheimlichen „Wozzeck“-Doktorszenen zu zitieren (die Mentha von drei Weißclowns genüsslich ausspielen lässt).

Wer sich den Bildern und Klängen hingibt, ohne groß nachzutüfteln, hat an diesem 80-minütigen, freundlich akklamierten Abend, der noch drei weitere Male auf dem Festivalprogramm steht, möglicherweise mehr davon. Denn am Ende landen ohnehin alle wieder am Anfang. Und Victor ist plötzlich auch ein kleiner Bub, der brav auf seine Mama gewartet hat. Was ist real, was ist fantasiert? Was ist heute, was folgt morgen? Was hast Du gesagt und was versteht Dein Gegenüber? - Wer weiß das alles schon?

(S E R V I C E - „Die Antilope“ von Johannes Maria Staud (Komposition) und Durs Grünbein (Libretto), Musikalische Leitung: Walter Kobéra. Regie: Dominique Mentha, Bühne: Ingrid Erb und Werner Hutterli, Kostüme: Ingrid Erb, Klangregie & Live-Elektronik: Christina Bauer. Mit Wolfgang Resch, Elisabeth Breuer, Maida Karisik, Bibiana Nwobilo, Gernot Heinrich, Ardalan Jabbari und Christian Kotsis. Wiener Kammerchor und amadeus ensemble-wien. Österreichische Erstaufführung. Koproduktion von Theater Luzern, Lucerne Festival und Oper Köln und Stiftung Haydn von Bozen und Trient. Weitere Aufführungen im Rahmen von Wien Modern: 14., 15., 16.11.,19.30 Uhr, Halle E im Wiener MuseumsQuartier, Einführungsgespräche jeweils um 18.45 Uhr. wienmodern.at)