Rumänien: Neue Straßenproteste gegen Justiz- und Steuerreform

Bukarest (APA) - Abertausende Menschen sind am Sonntagabend in Bukarest, Cluj, Brasov, Bistrita, Baia Mare, Galati, Alba Iulia, Pitesti und ...

Bukarest (APA) - Abertausende Menschen sind am Sonntagabend in Bukarest, Cluj, Brasov, Bistrita, Baia Mare, Galati, Alba Iulia, Pitesti und weiteren Städten erneut auf die Straße gegangen, um gegen die umstrittenen Reformpläne der regierenden Sozialdemokraten (PSD) und ihres linksliberalen Koalitionspartners (ALDE) zu demonstrieren.

In der rumänischen Hauptstadt zogen die Menschen zunächst vor den Regierungs- und anschließend vor den Hauptsitz der PSD, um ihrem Unmut sowohl gegenüber der in den letzten Tage von Premierminister Mihai Tudose per Eilerlass verfügten Steuerreform als auch gegenüber der von der PSD nach wie vor angestrebten politischen Unterordnung der Justiz Luft zu machen. Die Demonstranten schwenkten Rumänien- und Europafahnen, riefen „Abgang“, „Neuwahlen“, „Rücknahme (des Eilerlasses) und Rücktritt“, „PSD, die rote Pest“ und „Diebe“ und bewarfen den als „Mafia-Nest“ beschimpften Sitz der Regierungspartei mit Toilettenpapier-Rollen.

In Rumänien finden Demos derzeit schon fast im Tagestakt statt - erst am Freitag gab es in der westrumänischen Großstadt Timisoara einen Protest gegen das strittige Steuerexperiment der Regierung, nachdem diese per Eilverordnung verfügt hatte, dass ab Jänner Arbeitnehmer weitgehend selbst für ihre Lohnnebenkosten bzw. Sozialabgaben aufzukommen haben.

Die liberale Opposition kündigte bereits einen umgehend einzubringenden Misstrauensantrag gegen die Regierung Tudose an, während die Gewerkschaften den als PSD-treu geltenden Ombudsmann für Bürgerrechte, Victor Ciorbea, dazu bewegen will, Verfassungsklage gegen die per Eilerlass verfügte Steuerreform einzulegen. Nach rumänischem Recht ist der Ombudsmann der einzige, der Eilverordnungen der Regierung vor das Verfassungsgericht bringen kann.

PSD und ALDE scheinen von den Dauerprotesten zwar genervt, allerdings nicht zum Einlenken gewillt. Erst am Sonntagnachmittag bezeichnete der vorbestrafte PSD- und Unterhauschef Liviu Dragnea bei einer Sitzung der rumänischen Jusos die Demonstranten als „schlecht informiert“, da sie ansonsten nicht gegen ein Regierungsprogramm Sturm laufen würden, das von „Millionen Wählern“ gutgeheißen worden sei. Regierungschef Mihai Tudose hob seinerseits hervor, dass die sogenannte „Steuerrevolution“ seines Kabinetts vor allem als „Chance“ für Investoren gedacht sei. De facto haben letztere allerdings wenig bis nichts von besagtem Steuerexperiment: zum einen, weil sie Lohnanhebungen einplanen müssen, damit ihnen die Arbeitnehmer, denen ein drastischer Rückgang ihres Nettolohns droht, nicht abwandern. Und zum anderen, weil rumänische Wirtschaftsanalysten keineswegs an das plötzliche Wohlwollen der PSD gegenüber Unternehmern glauben, sondern letzteren neue Steuern und Abgaben prophezeien.