Slowenien hat einen neuen Polit-Star
Ljubljana (APA) - Fast hätte ihn die Anti-Establishment-Welle bis in den Präsidentenpalast getragen, doch der Ex-Comedian Marjan Sarec wird ...
Ljubljana (APA) - Fast hätte ihn die Anti-Establishment-Welle bis in den Präsidentenpalast getragen, doch der Ex-Comedian Marjan Sarec wird nicht unzufrieden sein, dass es dann doch nicht klappte. Mit 47 Prozent der Stimmen gegen Amtsinhaber Borut Pahor hat er sich bei der Wahl am Sonntag nämlich eine ideale Basis dafür geschaffen, nächstes Jahr die eigentliche Machtzentrale zu erobern: Das Amt des Regierungschefs.
„Ich bin als Clown in dieses Rennen eingestiegen, und jetzt ist das so ein knappes Rennen“, bejubelte Sarec (40) das Stichwahlergebnis gegen den haushohen Favoriten. Die Wähler gezeigt, „dass die Zeit für einen Generationenwechsel gekommen ist.“ Dass Slowenien nun einen neuen Polit-Star hat, wurde auch an der Reaktion des mit 53 Prozent bestätigten Amtsinhabers Pahor (54) deutlich, der Sarec zu dessen „ausgezeichneten Ergebnis“ gratulierte. „Ich sehe das als Botschaft, dass die Menschen unzufrieden sind“, fügte er hinzu.
Sarec hatte im Wahlkampf tiefgreifende Reformen des politischen Systems versprochen, darunter eine Stärkung der Position des Ministerpräsidenten und eine Änderung des Wahlsystems. Am Wahlabend kündigte er an, bei der Parlamentswahl antreten zu wollen, „wenn die Menschen dies wollen“. Damit sprach er aus, was viele schon länger vermutet hatten. Seine starken Reformansagen hatten nämlich so gar nicht zum rein repräsentativen Amt des Staatspräsidenten gepasst, um das er sich beworben hatte.
Schon nach der ersten Wahlrunde hatte der parteilose Bürgermeister der Kleinstadt Kamnik den Blick in Richtung Parlamentswahlen gerichtet. Mit 25 Prozent der Stimmen habe er mehr erreicht als alle Kandidaten der Parlamentsparteien zusammen, rechnete er vor. Gemünzt war das insbesondere auf die größte Regierungspartei, die liberale SMC von Ministerpräsident Miro Cerar. Ihre Kandidatin, Bildungsministerin Maja Makovec Brencic, erreichte nicht einmal zwei Prozent der Stimmen und wurde sogar von einem Rechtsextremisten überflügelt.
Großen Anteil am Sensationserfolg von Sarec hatte Amtsinhaber Pahor. Dem „Instagram-Präsidenten“ wäre seine effektheischende Politik beinahe auf den Kopf gefallen. Mit kindischen Instagram-Fotos und publikumswirksamen „Arbeitseinsätzen“ als Straßenarbeiter oder Müllmann hatte er sich zwar an die Spitze der Beliebtheitsskalen gesetzt, damit aber zugleich auch die Latte für das höchste Amt im Staate gesenkt. Viele Slowenen, die sich im höchsten Staatsamt keinen Posterboy wünschten, sondern eine Respektsperson, verstörte er.
So kam es, dass sich Pahor im Wahlkampf ausgerechnet von einem ehemaligen Kabarettisten die Leviten lesen lassen musste. Der in den TV-Duellen immer ernst auftretende Ex-Comedian mahnte seinen dauerlächelnden Kontrahenten, es sei nicht Aufgabe des Präsidenten, „die Menschen zu amüsieren“.
Sarec gelang damit ein bemerkenswertes Rebranding, war er doch einer breiten Öffentlichkeit in Slowenien vor allem als Kunstfigur „Serpentinsek“ und Politikerimitator bekannt gewesen. Jahrelang nahm er in Radio und Fernsehen Spitzenpolitiker wie die Ex-Präsidenten Janez Drnovsek und Danilo Türk, Außenminister Karel Erjavec und vor allem Oppositionsführer und Ex-Premier Janez Jansa. Pahor gehörte übrigens nicht zu seinem Repertoire.
Die Schauspielkarriere gab Sarec 2010 auf, als er als unabhängiger Kandidat mit Unterstützung des langjährigen Bürgermeisters der Stadt Kamnik, Tone Smolnikar, zum neuen Oberhaupt der nordslowenischen Gemeinde gewählt wurde. Im Jahr 2014 wurde er mit 63,8 Prozent im Amt bestätigt.
In der Wahlkampagne um das Präsidentenamt warb Sarec mit Worten wie „Verantwortung“, „Ordnungsliebe“ und „Professionalität“. Vor allem konnte Sarec aber als authentische Variante des Amtsinhabers punkten, der nach zwei Jahrzehnten als Berufspolitiker begonnen hatte, offensiv den Normalbürger zu geben. „Wenn Borut Pahor in der Wahlkampagne einen Feuerwehrmann spielt, dann ist Sarec wirklich einer“, sagte der Kommunikationsexperte Janez Rakuscek.
Ideologisch lässt sich Sarec nur schwer fassen, was in der polarisierten slowenischen Politik ein großer Vorteil ist. Ähnlich wie der amtierende Ministerpräsident Miro Cerar verbindet er linksliberale Einstellungen mit praktizierendem Katholizismus. Die politische Rechte sieht den Newcomer argwöhnisch. Sie unterstellt ihm, eine Marionette ihres Gottseibeiuns, des postkommunistischen Ex-Präsidenten Milan Kucan, zu sein, was Sarec dementiert. Der konservative Oppositionsführer Janez Jansa dürfte über die knappe Niederlage von Sarec jedenfalls nicht wirklich erfreut sein. Sarec könnte nämlich kommendes Jahr die Rolle des mittlerweile ziemlich unbeliebten Cerar spielen - und Jansa einen sicher scheinenden Sieg bei der Parlamentswahl wegschnappen