Gaffer nass gespritzt: Polizei sieht Feuerwehraktion kritisch
Um Gaffer zu vertreiben, griff die Feuerwehr zu einer ungewöhnlichen Methode: Spontan setzte sie Wasserschläuche gegen Lastwagenfahrer ein, die Fotos und Videos von einem Unfall mit drei Toten machen wollen. Die Polizei ist nicht begeistert von der Aktion – und auch dem Feuerwehrmann droht ein Verfahren.
Weibersbrunn – Die Strafen steigen und mancherorts werden Sichtschutzwände in Stellung gebracht – doch durchschlagenden Erfolg zeigen die Maßnahmen gegen Gaffer bislang nicht. Nach einem schweren Unfall mit drei Toten auf der A3 im bayerischen Unterfranken ergriff ein Feuerwehrmann am Donnerstag die Initiative und bespritzte Schaulustige mit Wasser.
Die Polizei kritisiert nun diese Aktion, die nicht abgesprochen gewesen sei. „Für die Unterbindung und Ahndung bei Verkehrsbehinderungen sind ausschließlich wir zuständig“, betonte ein Sprecher des unterfränkischen Präsidiums.
„Dem Feuerwehrmann ist der Kragen geplatzt“
So sieht das auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Die Feuerwehr habe Aufgaben übernommen, die eindeutig bei der Polizei lägen, sagte ein Sprecher. „Es muss klare Abläufe an der Unfallstelle geben.“ Eigentlich sind Feuerwehrleute für den Brandschutz verantwortlich, kümmern sich um Verletzte oder Eingeklemmte. Häufig unterstützen sie auch die Polizei bei der Sicherung der Unfallstelle und der Verkehrslenkung.
„Das war natürlich keine geplante Aktion“, erklärte Otto Hofmann, der den Einsatz der Freiwilligen Feuerwehren bei Weibersbrunn im Landkreis Aschaffenburg geleitet hatte. „Dem Feuerwehrmann ist der Kragen geplatzt.“ Ungefähr jeder dritte Lastwagenfahrer habe versucht, Bilder von den Toten und der Unfallstelle zu machen.
In einem Fall lag ein Fahrer laut Polizei sogar quer im Führerhaus, um bessere Aufnahmen machen zu können. Schließlich habe der Brandschützer den Schlauch eingesetzt. Er bespritzte die Seitenfenster der Fahrzeuge, die sehr langsam an der Unfallstelle vorbeifuhren oder gar stehenblieben.
Bei dem schweren Unfall kamen drei Menschen ums Leben, als vier Fahrzeuge zusammenstießen. Fast zwölf Stunden amStück arbeiteten manche der ehrenamtlichen Feuerwehrleute an der Unfallstelle.
Smartphones verstärken das Problem
Der Sprecher der Polizei Unterfranken lobte insgesamt die Zusammenarbeit. Die Spritzaktion sei eine Ausnahme gewesen, die er zuvor in seiner Laufbahn auch noch nie erlebt habe. Grundsätzlich funktioniere die Arbeitsteilung, betonte auch der GdP-Sprecher. „Polizei, Rettungskräfte und Feuerwehr haben an der Unfallstelle ja das gleiche Ziel: Menschenleben retten.“ Und sie alle leiden unter den Schaulustigen, die den Verkehr behindern oder mit ihrem Verhalten sogar weitere Unfälle provozieren.
Das Problem habe sich durch Smartphones verstärkt, darüber sind sich alle Befragten einig. Die Politik hat bereits darauf reagiert: Seit Mai gilt es als Straftat, bei Unglücksfällen vorsätzlich Einsatzkräfte zu behindern, die Hilfe leisten wollen. Darauf stehen nun Geldstrafen oder bis zu ein Jahr Haft.
Seit rund drei Monaten testet die Polizei in Bayern spezielle Sichtschutzwände, die Unfallstellen vor neugierigen Blicken abschirmen sollen. Die Konstruktionen sind allerdings bislang nur auf der A6 und A9 im Einsatz, wie ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums mitteilte.
Feuerwehrmann droht Ermittlungsverfahren
Beim Innenministerium schätzt man den Zwischenfall auf der A3 als Notlösung ein – unkonventionell obendrein. Nach dem Bayerischen Feuerwehrgesetz haben Einsatzkräfte allerdings die Befugnis, Personen von Unfallstellen zu verweisen – auch unter Einsatz unmittelbaren Zwangs, sagte ein Sprecher.
Dem Feuerwehrmann, der die Gaffer nass spritzte, droht nun ein Ermittlungsverfahren. Rein juristisch gesehen sei dessen Einleitung sehr wahrscheinlich, bestätigte der Würzburger Rechtsanwalt Hans-Erich Jordan der „Main-Post“. Es dürfte sich um einen „gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr“ handeln.
Das ist ein Offizialdelikt, bei dem die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren einleiten muss, auch wenn keine Strafanzeige vorliegt. Dieses kann aber wegen geringer Schuld eingestellt werden. Jordan hofft auf eine „sehr maßvolle Entscheidung“.
Nicht genug Personal, um alle aufzuhalten
Nach dem Vorfall habe Einsatzleiter Hofmann das Gespräch mit seinem Feuerwehrmann gesucht. „Solche Aktionen dürfen auf keinen Fall Schule machen“, sagte er – auch wenn dieser Fall bei Kollegen und in der Bevölkerung durchaus auf Sympathie traf. Hofmann stellte klar, es sei zwar menschlich nachvollziehbar, gegen Gaffer einschreiten zu wollen, aber „die gehen uns eigentlich nichts an“.
Von mehr als zehn Lastwagenfahrern hatten Polizeibeamte schon während der Unfallarbeiten die Personalien aufgenommen. Im Anschluss wurden noch Videoaufnahmen gesichtet, um weitere mutmaßliche Täter zu überführen, erklärte der Sprecher. „Um alle direkt anzuhalten, haben wir nicht genug Leute.“
Auch die GdP beklagte, dass Gaffer die Beamten zunehmend von ihrer eigentlichen Arbeit an Unfallstellen abhielten. Dass die Vergehen nun stärker geahndet werden, sei nicht nur ein gutes Mittel zur Abschreckung, sondern ein wichtiges Zeichen. Denn nötig sei vor allem ein Umdenken in der Gesellschaft. (Linda Vogt, dpa)