Schlaflos und anekdotenreich: Neues Philharmoniker-Buch präsentiert

Wien (APA) - Zu den bereits seit Monaten andauernden Feierlichkeiten zum 175-jährigen Bestehen der Wiener Philharmoniker gesellt sich nun au...

Wien (APA) - Zu den bereits seit Monaten andauernden Feierlichkeiten zum 175-jährigen Bestehen der Wiener Philharmoniker gesellt sich nun auch ein weihnachtsgeschenk-taugliches Buch: „Das Orchester, das niemals schläft“ nennt Christoph Wagner-Trenkwitz sein anekdotenreiches Kompendium, das gestern, Montag, im Haus der Musik präsentiert wurde. Es versammelt Geschichte und Geschichten, O-Töne und Klangrezepte.

Gegenüber den umfangreichen „Standardwerken“ zur Geschichte des Orchesters von Clemens Hellsberg aus 1992 und Christian Merlin aus 2017 solle sein ungleich kürzeres und im Plauderton verfasstes Werk ein „pointierter Führer“ für „Einsteiger“ sein, so Wagner-Trenkwitz im Vorwort. Nicht jedes der zahlreichen Apercus, die der Autor zu Tradition, Eigen- und Gepflogenheiten des Wiener Spitzenorchesters zusammengetragen hat, dürfte einem harten Quellentest standhalten - und hat auch nicht den Anspruch. Eine „charmante, flüssige Feder“ attestierte der ehemalige Bundespräsident und Philharmoniker-Fan Heinz Fischer bei der gestrigen Präsentation.

So macht man neben einem ausführlichen Kapitel zur Geschichte des Orchesters, das der Zeit des Nationalsozialismus und ihrer nachgeholten Aufarbeitung viel Raum gibt, auch einen durchaus zum Touristenguide taugenden Spaziergang durch die philharmonischen Schauplätze Wiens und erfährt so manches gut gehütete Geheimnis der sagenumwobenen Wiener Klangkultur. Die Bogenhaltung, die obertonreichen Instrumente, die wendige Opern-Schulung an der menschlichen Stimme, das zurückhaltende Vibrato und die „organisierte Schlampigkeit“ etwa, aber auch die „Pflege“ des Klangs durch strenge Selektion unter den eigenen Studenten der oft als Professoren der Musikuni tätigen Philharmoniker, durch Musikerdynastien wie die Familie Bartolomey oder Hellmesberger, durch lange Probe- und Einschulungszeiten im Orchestergraben der Staatsoper.

In vielen persönlichen Erinnerungen der Musiker schildert Wagner-Trenkwitz die Beziehungen zu einzelnen Dirigentenpersönlichkeiten, die mit dem berüchtigt eigenwilligen Orchester, das mit Stolz als einziges Spitzenorchester der Welt ohne Chefdirigent auskommt, jeweils ihren ganz individuellen Weg gefunden haben. Oft war es Liebe auf den ersten Blick. Und sie sind es auch - Christian Thielemann etwa, oder Wilhelm Furtwängler - die das Orchester in Zitaten mit eloquentem Lob überhäufen dürfen. Denn was wäre ein 175. Geburtstag ohne ein bisschen augenzwinkernde Selbstbeweihräucherung? Eben.

(S E R V I C E - Christoph Wagner-Trenkwitz: Das Orchester, das niemals schläft. Amalthea Verlag, 208 Seiten, 25 Euro.)