Fußball: Ein Abschied inmitten von Tränen - Buffon sagt „Addio“

Mailand (APA/dpa) - Wenn einer wie Gianluigi Buffon „Addio“ sagt, ist das zwangsläufig ein bittersüßer Moment. Doch am Montagabend endete in...

Mailand (APA/dpa) - Wenn einer wie Gianluigi Buffon „Addio“ sagt, ist das zwangsläufig ein bittersüßer Moment. Doch am Montagabend endete in Mailand eine Jahrzehnte dauernde Nationalmannschafts-Karriere im Schmerz. Und mit dem legendären Fußball-Tormann weinte ganz Italien, das erstmals seit der Endrunde 1958 in Schweden im kommenden Jahr nur WM-Zuschauer ist.

Immer wieder rieb er sich die Augen, als könnte er nicht glauben, was wenige Minuten zuvor passiert war. Seine Stimme war brüchig, er mied den Blick in die Kamera und in die Augen des Reporters. „Wir sind gescheitert“, sagte ein untröstlicher Buffon, der erst am 23. Oktober von der FIFA als Welttorhüter des Jahres ausgezeichnet worden war. Drei Wochen später erlebte er mit dem torlosen Remis gegen Schweden und dem Verpassen der WM-Qualifikation den schlimmsten Moment seiner Teamkarriere.

Unmittelbar nach dem Scheitern gab Buffon seinen Rücktritt aus der „Squadra“ bekannt, in der er vor fast genau 20 Jahren - am 29. Oktober 1997 - als 19-Jähriger sein Debüt gegeben hatte. „Gigi“ hütete unter insgesamt acht Teamchefs das Tor der „Azzurri“. Ex-Coach Cesare Prandelli bezeichnete den Routinier als „Kapitän und Vorbild“, Buffon strahle Ruhe aus und wisse die Mannschaft zu motivieren. 2006 markierte der Weltmeistertitel durch den Finalsieg gegen Frankreich im Elfmeterschießen von Berlin den Höhepunkt seiner Karriere.

In mehr als über 1.000 Pflichtspielen erlebte der 1,92 Meter große Schlussmann sämtliche Höhen und Tiefen des Sports. Buffon holte Titel und stellte Rekorde auf, durch ungeschickte Wort- und Trikotnummernwahl wurde er aber auch in die Nähe rechtsextremer Sympathisanten gerückt. Ein anderer Skandal drehte sich um ein gekauftes Maturazeugnis. Buffon machte eine Depression durch und verlor als Unternehmer Millionen.

Seinen Reifeprozess während der zwei Jahrzehnte langen Profi-Karriere konnte die Öffentlichkeit live mitverfolgen, sah ihn als große Ikone in der Werbung und zollte ihm Anerkennung, als er 2006 nach dem Zwangsabstieg von Juventus Turin wegen des Manipulationsskandals als stolzer Teamtorhüter in der Serie B Bälle hielt. „Gigi ist der geborene Champion, und das beschränkt sich nicht auf die sportlichen Qualitäten, sondern zeigt sich auch bei seinem Auftreten außerhalb des Platzes“, lobte ihn Teamchef Antonio Conte im Vorjahr im Vorfeld der EM in Frankreich.

Zuletzt fand Buffon, der am 28. Jänner 40 Jahre alt wird, immer wieder ein Wenn-Szenario, um das Karriereende noch ein wenig hinauszuzögern. Die verpasste Qualifikation für seine sechste WM, mit der er alleiniger Rekordmann geworden wäre, brachte nun den Abschied aus dem Nationalteam, den er eigentlich erst nach der WM in Russland (14. Juni bis 15. Juli 2018) verkünden wollte.

Das K.o. im Play-off gegen die Schweden, die sich im Hinspiel 1:0 durchgesetzt hatten, war bereits die zweite schmerzhafte Niederlage für Buffon in diesem Jahr: Am 3. Juni hatte er mit Juventus Turin in Cardiff durch eine 1:4-Finalniederlage gegen Titelverteidiger Real Madrid den Champions-League-Triumph verpasst. Der Gewinn des wichtigsten Club-Bewerbs war der Tormann-Ikone bisher nicht vergönnt.

Seinen Stolz, seinen Ehrgeiz, aber auch seinen Anstand lebte Buffon den jungen Profis nicht nur im Club, sondern auch im Team vor - etwa als er am Montag mit lautem Klatschen pfeifende Fans während der schwedischen Nationalhymne ermahnte. „Ich hoffe, dass ich wenigstens als Vorbild etwas hinterlassen werde“, sagte Buffon danach. Real Madrids Erfolgstrainer Zinedine Zidane bezeichnete „Super-Gigi“ zuletzt als „geborene Führungspersönlichkeit“.

Vor den Play-off-Partien gegen Schweden war es seine Erfahrung, die ihn weder zu maßloser Euphorie noch zu naivem Optimismus bewegte. „Je öfter du gewinnst, desto öfter machst du Fehler, desto mehr lernst du, desto reifer wirst du“, gab Buffon nüchtern zu Protokoll. Auch deshalb war er bis Montag unumstrittener Anführer der Squadra, die nun ohne ihn auskommen muss.

In seinem schmerzerfüllten Gesicht bei der Verkündung des Teamrücktritts dürften sich viele Italiener wiedergefunden haben. „Tuttosport“ schrieb treffend: „Die Tränen des Capitano - die letzten in azurblau - sind die aller italienischen Fans.“