Wege aus der Kohle - Welche Optionen hat „Jamaika“?

Berlin (APA/Reuters) - In die lange festgefahrenen Verhandlungen von Union, Grünen und FDP ist in der Klimapolitik zumindest etwas Bewegung ...

Berlin (APA/Reuters) - In die lange festgefahrenen Verhandlungen von Union, Grünen und FDP ist in der Klimapolitik zumindest etwas Bewegung gekommen: Alle Partner haben nicht nur deutlich gemacht, dass das Klimaziel für 2020 gilt.

Sie bekennen sich auch dazu, dass Kohlekraftwerke einen bedeutenden Teil auf dem Weg dorthin liefern sollen. Und sie nennen Zahlen: Union und FDP sprechen von drei bis fünf Gigawatt Kraftwerksleistung, auf die verzichtet werden könnte, was bis zu zehn größeren Meilern entspricht. Die Grünen fordern mit acht bis zehn Gigawatt etwa doppelt so viel. Hintergrund der Differenz ist, dass die Klimalücke, also die Menge an noch einzusparendem CO2, unterschiedlich berechnet wird. Aber unabhängig von der Größe der Lücke, wie können Kohlemeiler vom Netz gehen oder ihren Ausstoß verringern? Und wie kann das rechtlich wasserdicht geregelt werden?

DIE AUSGANGSLAGE

Deutschland produziert noch 40 Prozent seines Stroms aus Kohlekraft. Davon entfällt rund 17 Prozent aus Anlagen mit überwiegend importierter Steinkohle und 23 Prozent auf Kraftwerke, die mit heimischer Braunkohle befeuert werden und besonders klimaschädlich sind. Davon sind in Deutschland noch um die 100 mit einer Leistung von 21 Gigawatt am Netz. Bei den Steinkohlekraftwerken sind es gut 100 mit rund 27 Gigawatt.

Auch ohne zusätzliche Instrumente wird erwartet, dass 2020 nur noch 22 Gigawatt (Steinkohle) und 18 Gigawatt (Braunkohle) am Netz sind, da Kraftwerke teilweise auch nicht mehr wirtschaftlich sind. Für das Klimaziel 2020 wird dennoch eine Lücke bleiben. Diese wird vom Umweltministerium auf über 70 Millionen Tonnen CO2 geschätzt. Die Grünen gehen sogar von bis zu 120 Millionen Tonnen aus. Union und FDP räumen mindestens 32 Millionen Tonnen ein. Trotz dieser großen Unterschiede wollen die Verhandler über den forcierten Kohleausstieg den wesentlichen Teil der Lücke schließen.

VORSCHLAG DES UMWELTBUNDESTES

Die Behörde regt die schnelle Stilllegung der ältesten Braunkohlekraftwerke und eine Drosselung weiterer Alt-Anlagen an. Fünf Gigawatt der ältesten und ineffizientesten Braunkohlekraftwerke könnten abgeschaltet werden, was etwa zehn größeren Kohleblöcken entspricht. Da diese abgeschrieben sind, gehen Experten davon aus, dass die Konzerne keinen Schadenersatz fordern könnten. Zudem sollten Stein- oder Braunkohlekraftwerke, die älter als 20 Jahre sind, weniger Strom produzieren. Dafür könnte ihnen laut Bundesamt ein Budget von knapp sechs Monaten Laufzeit pro Jahr zugeteilt werden.

DIE KLIMAABGABE

Bereits 2014 hatte die Regierung angesichts der Klimaziele nachsteuern müssen. Geplant war dafür, die ältesten Braunkohlekraftwerke über eine Klimaabgabe Zug um Zug aus dem Markt zu drängen und so 22 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich einzusparen. Rechnerisch hätte das das Aus für etwa acht Meiler bedeutet. Das Vorhaben scheiterte jedoch am Widerstand von Konzernen und Belegschaften. Stattdessen wurden Kraftwerke außer Betrieb gesetzt und zunächst in eine Reserve verschoben. Später sollen sie dann ganz stillgelegt werden. Das bezahlt der Stromkunde allerdings mit gut 1,6 Milliarden Euro.

DAS MODELL ATOMAUSSTIEG

Im Zuge der Sondierungsgespräche wurde bereits angeregt, sich am Modell des Atomausstiegs zu orientieren. Der erste Beschluss von Rot-Grün wies den Kraftwerken Restlaufzeiten zu. Die Betreiber hatten aber die Freiheit, diese flexibel abzurufen, so dass es kein festes Abschaltdatum gab. Das Modell hätte den Vorteil, dass Kohlemeiler vor allem dann laufen würden, wenn der Strompreis hoch ist. Dies ist wiederum meistens der Fall, wenn die Versorgung knapp ist. Das könnte etwa der FDP entgegen kommen, die sich öffentlich um die Versorgungssicherheit sorgt.

WELCHE KRAFTWERKE TRIFFT ES?

Im Fokus bei allen Modellen stehen die ältesten Anlagen, die besonders viel CO2 ausstoßen und dabei solche, die mit Braunkohle befeuert werden. Zudem geht es aus Gründen der Versorgungssicherheit um solche, die nördlich der Main-Linie stehen. Schon jetzt dürfen wegen fehlender Nord-Süd-Leitungen praktisch keine Kraftwerke südlich davon abgeschaltet werden. Die Braunkohle-Kraftwerke stehen nahe der Tagebaue aber ohnehin nördlich davon.