Vor Van der Bellen-Besuch: Wirbel um Missbrauchsvorwürfe im Vatikan

Vatikanstadt (APA) - Vor dem Treffen zwischen dem Papst und dem österreichischen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen am morgigen Donn...

Vatikanstadt (APA) - Vor dem Treffen zwischen dem Papst und dem österreichischen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen am morgigen Donnerstag sorgen Vorwürfe über einen angeblichen Missbrauch von Ministranten in einer vatikanischen Einrichtung für Wirbel. Der Skandal wurde von dem bekannten italienischen Enthüllungsjournalisten Gianluigi Nuzzi ans Licht gebracht und vom TV-Kanal „Italia 1“ aufgegriffen.

In einem Beitrag des Fernsehsenders berichtet ein ehemaliger polnischer Ministrant, sein Zimmernachbar im vatikanischen Konvikt mit Sitz im Vatikan, „San Pio X“, sei vor seinen Augen mehrfach von einem Seminaristen sexuell missbraucht worden. Diese Vorfälle sollen sich vor circa zehn Jahren ereignet haben. Der Seminarist sei inzwischen Priester geworden. Weil er die Missbrauchsfälle seinem Beichtvater gemeldet habe, sei der Pole aus dem Konvikt entfernt worden.

Vatikan-Sprecher Greg Burke sprach von „Falschaussagen über Ministranten im Vatikan“. Papst Franziskus habe weder ein mutmaßliches Opfer empfangen noch irgendeinen Zeugen, wie berichtet worden sei, schrieb Burke auf Twitter. Die Vorwürfe des Ministranten sind auch ein heikles Kapitel in dem in der vergangenen Woche erschienenen Werk Nuzzis „Peccato originale“ (Erbsünde). In dem Buch befasst sich Nuzzi in seinem vom Verlag „Chiarelettere“ veröffentlichten Buch mit mehreren noch offenen Rätseln im Vatikan.

Die Vorwürfe des Ministranten bereiten Franziskus trotz des Vatikan-Dementis große Sorgen. Der Papst ist ohnehin schon mit dem Fall von Kurienkardinal George Pell konfrontiert. Der Australier Pell, Ex-Finanzchef des Vatikans, ist der ranghöchste katholische Geistliche weltweit, der wegen sexueller Missbrauchsvorwürfe vor Gericht steht. Die australische Polizei hatte die Vorwürfe gegen ihn im Juni erhoben. Pell soll sich vor Jahrzehnten sexueller Misshandlungen schuldig gemacht haben. Er weist die Vorwürfe jedoch zurück. Papst Franziskus, als dessen Vertrauter Pell gilt, hatte ihn auf eigenen Wunsch von seinen Pflichten im Vatikan freigestellt, damit er sich verteidigen kann.

Der Enthüllungsjournalist Emiliano Fittipaldi hat dem Vatikan in seinem im Jänner erschienenen Buch „Lussuria“ (Unzucht) ebenso vorgeworfen, unzählige Missbrauchsskandale in der italienischen Kirche gedeckt zu haben. Die Skandale seien auch von hohen Prälaten an der Seite von Papst Franziskus verheimlicht worden, kritisierte Fittipaldi.

Der italienische Journalist berichtete, dass zwischen 2013 und 2015 aus den verschiedenen Weltdiözesen 1.200 Anzeigen wegen Kindesmissbrauchs durch Geistliche bei der Glaubenskongregation im Vatikan eingetroffen seien. Die Zahl habe sich gegenüber dem Zeitraum 2005 bis 2009 verdoppelt. „Dieser Trend zeigt, dass das Geschwür der Pädophilie in der Kirche nicht ausgemerzt worden ist“, schreibt Fittipaldi in seinem Buch. Die italienische Kirche sei in den vergangenen 20 Jahren mit den Fällen von 200 pädophilen Priestern konfrontiert gewesen.

Fittipaldi hatte im November 2015 das Buch „Avarizia“ (Geiz) mit Originaldokumenten zum Thema Reichtum, Skandale und Geheimnisse im Pontifikat von Franziskus veröffentlicht. Fittipaldi sammelte dank vertraulicher Quellen eine große Menge von Papieren zur Wirtschaftslage des Vatikan, unter anderem Bilanzen und Finanzberichte. Zusammen mit seinem Kollegen Gianluigi Nuzzi wurde Fittipaldi wegen Veröffentlichung geheimer Dokumente vom Vatikan vor Gericht gebracht, er wurde jedoch im Juli freigesprochen.