1918/2018: Neue Bücher zu den Gründungsjahren der Republik Österreich
Wien (APA) - **...
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„Der Untergang der Habsburgermonarchie“ - Fragen an die Vergangenheit
In „Der Untergang der Habsburgermonarchie“ steht die Mehrdimensionalität im Zentrum: Hannes Leidinger widmet sich den unterschiedlichen Lesarten der Geschichte und den Verzahnungen historischer Entwicklungen und Phänomene. Angesichts der „Beständigkeit der Fragilität“ Österreich-Ungarns stellt er die Vorherbestimmtheit des Niedergangs infrage. Spekulation sei dazu nicht nötig: „Dem Kontrafaktischen als reizvolles Gedankenspiel treten nachweisbare Alternativen in den Quellen gegenüber“, schreibt der Historiker. So löse sich bei genauerer Betrachtung der „November achtzehn“ als scharfer Trennstrich zwischen den Epochen auf - Raumkonzepten, Handelsnetzen, Wirtschaftskontakten, Entscheidungsmechanismen, Rechts- und Elitenkontinuitäten träten in den Vordergrund.
Leidinger überprüft abstrakte Phänomene mit Hilfe von detaillierten Darstellungen. Im Längsschnitts-Kapitel „Jahrhundertwende“ behandelt er zum Beispiel die Vermögensverteilung und tristen Verhältnisse - nirgendwo sonst in Europa mussten so viele Menschen ihre Kindheit bei Fremden verbringen -, die zur außerordentlichen hohen Zahl an Abwanderung führten. Leidinger beschreibt die Effekte unterschiedlichster Trends und deckt Zusammenhänge auf, so verknüpft er das Leiden an unheilbaren Krankheiten mit der damaligen Todessehnsucht, die parallel zu einer Identitätskrise der Eliten auftrat.
Trotz der wirtschaftlichen und sozialen Missstände, sieht er das fragwürdige Krisenmanagement der deutschen und ungarischen Führungsschichten im Juli 1914 als zentral für den Untergang der Habsburgermonarchie. Nach den Kapiteln „Gewaltenlösungen“, „Anatomie des Zusammenbruchs“ und „Das Erbe“ über Wendepunkte und Nachwirkungen des politischen Versagens, lautet der letzte Satz seines „kurzen Fazits“: „Das Habsburgerreich ging vor allem auch an seinen eigenen Eliten zugrunde.“
(Hannes Leidinger: „Der Untergang der Habsburgermonarchie“, Haymon Verlag, 440 S., 29,90 Euro, ISBN 978-3-7099-7066-9; Buchpräsentation: 16.11., 19 Uhr, Buchhandlung Thalia, Wien 3, Landstraßer Hauptstraße 2A)
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„Die verzweifelte Republik. Österreich 1918-1922“ - Walter Rauscher widmet sich Untergang und Neuanfang
Der Herausbildung des modernen österreichischen Staats steht für Walter Rauscher im Zeichen des Niedergangs der alten Ordnung. Seine Darstellung der Gründungsjahre der Republik beginnt mit den Verhältnissen während der Kriegsjahre („Österreich-Ungarn im Krieg“) und den „letzten Tagen der Monarchie“. Das erste der acht weiteren Kapitel, „Die Republik Deutsch-Österreich“, beginnt mit dem „großen Tag“ der Republiksausrufung, wie das „Neue-8-Uhr-Blatt“ damals titelte. Von Jubelstimmung berichtet Rauscher nicht, der zahlreiche Presseartikel und Zeitdokumente heranzieht, zu groß sei das Elend gewesen.
Die neugegründete Republik ist ein „Staat in Not“, dessen Überlebensfähigkeit angezweifelt wird. Für die Existenzkrise in den Anfangsjahren waren die Friedensbedingungen des Vertrages von Saint-Germain maßgeblich, Rauscher übertitelt seine Analyse mit „Die nationale Katastrophe“ und beschäftigt sich mit den Verhandlungen, Standpunkten und Konsequenzen: Der Republik als Rechtsnachfolgerin wurden Schuld und Schulden zugesprochen, 1922 drohte bereits der Staatsbankrott.
„Österreich war nicht bloß durch internationale Einwirkung ein territorial beschnittenes, sondern auch ein im Inneren gespaltenes Staatsgebilde“, schreibt Rauscher, der sich mit Aspekten wie der Maßnahmen zur Sanierung der Staatsfinanzen, der strengen ausländischen Kontrolle und dem Verbot des Anschlusses an Deutschland beschäftigt, die kaum dazu beitrugen, die Spannungen zu reduzieren. Dabei geht er auf die mit großer Genauigkeit auf die Beweggründe der Betroffenen und Entscheidungsträger ein und kommt zu dem Schluss, dass das Österreich von 1918 für seine Staatsbürger „eine verzweifelte Republik“ gewesen sein muss.
(Walter Rauscher: „Die verzweifelte Republik. Österreich 1918-1922“, Verlag Kremayr&Scheriau, 224 S., 22 Euro, ISBN 978-3-218-01086-3, Buchpräsentation: 16.11., 19 Uhr, Buchhandlung Thalia, Wien 3, Landstraßer Hauptstraße 2A)
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„Die erste Stunde Null. Gründungsjahre der österreichischen Republik. 1918-1922“ - Geschichte im Zeichen des Aufbruchs
Den positiven Aspekten der Republiksgründung widmen sich Alfred Pfoser und Andreas Weigl: Nur Teil eins ihres neuen Werkes handelt vom „Scherbenhaufen“ Habsburgerreich und seinen Niederlagen wie dem Zerfall der k. u. k. Armee, der Kapitulation, der Auflösung des gemeinsamen Wirtschaftsraums und den Grenzkonflikten. Im zweiten Teil „Aufbrüche“ geht es bereits um die Leistungen, die in einer Ausnahme- und Notsituation vollbracht wurden, um eine neue Grundlage für das Zusammenleben zu schaffen, auf die Republik noch heute zurückgreifen könne, so die Autoren.
In ihrer Darstellung war das neue Österreich von 1918 war eine „energische Reaktion auf die Niederlage der Monarchie“: „Die Mehrheit der Bevölkerung, vor allem die Arbeiterschaft und die Bauern, drängte auf die Ausrufung der Republik.“ Im Vergleich zu vielen Nachbarstaaten soll Österreich in den Jahren 1918 bis 1922 geradezu ein „Hort der Stabilität“ gewesen sein, der in Grenzfragen auf Verständigung und Volksabstimmungen setzte und der damals in Mittel- und Osteuropa durchaus gängigen militärischen Gewalt abgeschworen hatte. „Die junge Republik gehörte zudem zu den sozialpolitischen Vorreitern in Europa, ja in der Welt“, schreiben Pfoser und Weigl.
Im letzten Abschnitt widmen sie sich den Kulturkämpfen in den Anfangsjahren und den Denkmustern, die gegen Demokratie und Republik gerichtet waren. „Innenpolitisch ließen sich in einem von Armut und Arbeitslosigkeit geplagten Land, so scheint es, nur mit Identitäts-, Erinnerungs- und Symbolpolitik Erfolge erzielen.“ Das Unvermögen, gemeinsame Erfolge zu würdigen, sei ein Grundzug der Ersten Republik gewesen, so die Autoren.
(Alfred Pfoser und Andreas Weigl: „Die erste Stunde Null. Gründungsjahre der österreichischen Republik. 1918-1922“, Residenz Verlag, 272 S., 28 Euro, ISBN 978-3-7017-3422-1; Buchpräsentation: 20.11., 19 Uhr, Lesesaal der Wienbibliothek im Rathaus, 1., Eingang Lichtenfelsgasse 2)