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Nach Medienbericht: EU will nicht über Brexit-Gelder spekulieren

Der britische Brexit-Minister David Davis (l) und EU-Chefverhandler Michel Barnier.
© AFP/Dunand

Einer britischen Zeitung zufolge könnte die Regierung von Theresa May knapp 45 Milliarden Euro beim EU-Austritt bieten. Ob das ausreichend sei für einen Fortschritt oder nicht – dazu wollte sich die EU-Kommission nicht äußern.

Innsbruck – Die EU-Kommission spekuliert nicht über Zahlungen Großbritanniens an die Europäische Union durch den Brexit. Von Journalisten befragt, ob 40 Milliarden Pfund (44,49 Mrd. Euro) ausreichend oder nicht ausreichend wären, um von einem Fortschritt in den Brexit-Verhandlungen zu sprechen, winkte ein Kommissionssprecher am Donnerstag ab. „Netter Versuch, aber wir spekulieren nicht auf diesem Gebiet“.

Es gebe einen sehr strukturierten Rahmen, um miteinander zu reden. Dort könne diese Frage erörtert werden, fügte der Sprecher an.

Zuletzt hatte die britische Boulevardzeitung „The Sun“ berichtet, dass Premierministerin Theresa May Brüssel mehr Geld für die Scheidungsvereinbarung mit der EU anbieten wolle. Es gehe um zusätzlich bis zu 20 Milliarden Pfund (22,24 Mrd. Euro), berichtete das Blatt.

Verhandlungen stecken noch immer in erster Phase

In den bisher sechs Verhandlungsrunden zwischen EU und Großbritannien sind bisher kaum Fortschritte erzielt worden. Weiterhin keine Einigung gibt es in den drei Hauptpunkten der ersten Verhandlungsphase. Es sind dies die Finanzen – also was die Briten beim Austritt bezahlen müssen –, die Nordirland-Frage und die Bürgerrechte. Erst wenn hier substanzielle Fortschritte erzielt werden, kann die von den Briten gewünschte zweite Verhandlungsphase über die künftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU nach dem Brexit begonnen werden. Ziel war, dass spätestens der EU-Gipfel Mitte Dezember diesen Auftrag für die zweite Verhandlungsphase erteilen sollte. Allerdings ist dies derzeit eher fraglich.

Entscheidung über neuen Sitz für EU-Agenturen

Die EU-Außen- und Europaminister entscheiden indes am Montag über die Sitzverlegung der EU-Arzneimittelagentur (EMA) und der EU-Bankenaufsicht (EBA) aus London im Zuge des Brexit. Wien hat sich für beide Agenturen beworben, gilt aber nicht als Top-Favorit. Am Donnerstag war noch nicht entschieden, wer Österreich bei dem EU-Ministerrat vertritt.

Das Verfahren sieht bis zu drei Wahlgänge in geheimer Abstimmung vor. Dabei können die 27 EU-Staaten – Großbritannien nimmt nicht teil – drei, zwei und einen Punkt(e) an ihre Favoriten vergeben, in den nächsten Runden nur noch einen Punkt an die drei Bestplatzierten. Zunächst wird über die EMA abgestimmt, dann über die EBA. Ergebnisse für beide Agenturen sollen laut Diplomaten bis Montagabend 18 bzw. 19 Uhr vorliegen. Um in erster oder zweiter Runde zu gewinnen, bräuchte ein Bewerber die maximale Stimmenzahl von mindestens 14 EU-Staaten. In der dritten Runde gewinnt der Bewerber mit den meisten Stimmen. Herrscht auch dann noch ein Gleichstand, entscheidet das Los.

Neben Wien haben sich für die EMA auch Amsterdam (Niederlande), Athen (Griechenland), Barcelona (Spanien), Bonn (Deutschland), Bratislava (Slowakei), Brüssel (Belgien), Bukarest (Rumänien), Kopenhagen (Dänemark), Dublin (Irland), Helsinki (Finnland), Lille (Frankreich), Mailand (Italien), Porto (Portugal), Sofia (Bulgarien), Stockholm (Schweden), Valletta (Malta), Warschau (Polen) und Zagreb (Kroatien) beworben. Für die EBA gehen neben Wien ebenfalls Brüssel, Dublin, Frankfurt/Main, Paris, Prag, Luxemburg und Warschau ins Rennen.

Bratislava noch ohne Agentur

Nach Einschätzung von Beobachtern hätte Bratislava gute Karten, wenn die geopolitischen Kriterien überwiegen, denn die Slowakei zählt zu den fünf EU-Staaten, die bisher keine Agentur haben. Die Bewerbung Bratislavas wird zudem von den Visegrad-Staaten unterstützt. Sollte die Fortsetzung der Geschäftstätigkeit im Vordergrund stehen, dürften Amsterdam und Kopenhagen bessere Karten für die EMA haben, aber dagegen spräche, dass sowohl die Niederlande als auch Dänemark bereits wichtige EU-Agenturen beherbergen. Unter den EMA-Beschäftigten ist Amsterdam Favorit. Wien bietet 25 Jahre mietfreie Konditionen für die EMA. Die EMA hat rund 900 Beschäftigte, die EBA knapp 200.

„Unsere Chancen sind intakt, überbordend allerdings nicht“, hatte Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) im Oktober erklärt. Wien habe sich um Allianzen bemüht, doch der Ausgang sei offen, hieß es in Brüsseler Ratskreisen. Die Bewerbung Barcelonas dürfte durch die Katalonien-Krise geschwächt sein, Mailand wiederum erhofft sich gute Chancen. In Brüssel machten auch Gerüchte die Runde, wonach Deutschland und Frankreich die Bewerbung Bratislavas für die EMA unterstützen könnten, im Gegenzug für Frankfurt als Standort der EBA und eine personelle Aufstockung der in Paris ansässigen Wertpapieraufsicht ESMA.

EU-Ministerrat nicht letzte Chance für May

Die Abstimmung über die EU-Agenturen startet erst, nachdem die EU-Minister den nächsten EU-Gipfel Mitte Dezember vorbereitet haben. Im Zentrum steht die Frage, ob die EU mit Großbritannien in den Brexit-Verhandlungen diesmal zur nächsten Phase – Gespräche über die künftigen Beziehungen – übergehen kann, nachdem bisher kaum Fortschritte erzielt wurden. Die EU knüpft dies an ausreichende Fortschritte bei den Streitpunkten Bürgerrechte, Brexit-Kosten und Irland-Grenze.

Eine ranghohe Diplomatin erklärte, bisher gebe es nicht ausreichend Fortschritte, auch nicht in der Irland-Frage. Der EU-Ministerrat am Montag sei aber nicht die letzte Gelegenheit für Großbritannien. Sollte die britische Premierministerin Theresa May danach noch etwas anbieten, könne dies für den Dezember-Gipfel berücksichtigt werden. Dass Irland ein Veto einlege, sei nicht in Sicht. Der EU-Gipfel im Dezember wird sich außerdem schwerpunktmäßig mit Verteidigung, Sozialem und Migration befassen, nachdem die EU-Militärzusammenarbeit PESCO auf den Weg gebracht wurde. Zur EU-Migrationspolitik sei eine Debatte, aber keine Entscheidung geplant, hieß es. (APA)