Endspurt zu Jamaika: Merkel will Einigkeit, Seehofer übt Kritik
Nach einem nächtlichen Marathon und nur wenigen Stunden Pause wird in Deutschland die finale Runde der Koalitionsverhandlungen fortgesetzt. CSU-Chef Horst Seehofer kritisierte fehlende Kompromissbereitschaft bei den anderen. Wie lange noch verhandelt wird, ist offen.
Berlin – CDU-Chefin Angela Merkel hat CSU, FDP und Grüne unmittelbar vor der Fortsetzung der am frühen Morgen unterbrochenen Sondierungen für ein Jamaika-Bündnis zur Einigung aufgerufen. Die Gespräche seien sehr kompliziert, weil es um sehr unterschiedliche Parteien gehe, sagte Merkel am Freitag in einer Telefonkonferenz des Bundesvorstands ihrer Partei in Berlin. Die CDU müsse alles versuchen, um eine Jamaika-Regierung zustande zu bekommen. „Es gehört der Wille aller dazu. Von der CDU-Seite ist der Wille da.“
Nach diesen Informationen meldeten sich mehrere CDU-Spitzenpolitiker zu Wort, die in der Nacht an den Verhandlungen teilgenommen hatten, darunter Unionsfraktionschef Volker Kauder, der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier und dessen saarländische Amtskollegin Annegret Kramp-Karrenbauer. Sie hätten betont, man sei in den knapp 15-stündigen Beratungen in vielen Bereichen ein gutes Stück vorangekommen.
Es müsse auch deshalb weiter versucht werden, eine Einigung zu finden, weil die CDU sich auch inhaltlich gut in den bisherigen Ergebnissen wiederfinden könne, hätten Kauder, Bouffier und Kramp-Karrenbauer betont. Dabei wurden dem Vernehmen nach die Bereiche innere Sicherheit und Familie genannt. Die CDU müsse sich ihrer besonderen staatspolitischen Verantwortung bewusst sein. Dafür müsse man auch Kompromisse machen.
Seehofer kritisiert indirekt Grüne
CSU-Chef Horst Seehofer forderte indes die Grünen unmittelbar vor der Fortsetzung der Sondierungen zu mehr Kompromissbereitschaft auf. Ohne die Ökopartei direkt zu nennen, sagte der bayerische Ministerpräsident am Freitag in Berlin:„Dieses Spiel, wir haben uns bewegt, jetzt müssen sich die anderen bewegen, ist nicht nachvollziehbar.“ Man dürfe nicht nur öffentlich erklären, kompromissbereit zu sein, sondern müsse dem in den Verhandlungen auch Taten folgen lassen.
Die Lage bei den Sondierungen für ein schwarz-gelb-grünes Bündnis sei „leider ein schwieriger Zwischenstand“. Es lohne sich aber, in die Verlängerung zu gehen. Seehofer erklärte jedoch auch:„Wir haben noch in keinem Bereich eine einzige Entscheidung.“ Der CSU-Vorsitzende setzt dennoch auf einen Erfolg der Gespräche:„Es gibt keinen Anlass, von einem Scheitern zu reden, sonst bräuchten wir uns gar nicht treffen.“
Dobrindt: Koalition „an seidenem Faden“
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sah die Sondierungen für ein Jamaika-Bündnis gar auf der Kippe. „Die Chance ist noch da“, sagte Dobrindt am Freitag nach Teilnehmerangaben in einer CSU-Landesgruppensitzung im Bundestag in Berlin. Er fügte allerdings hinzu: „Ehrlicherweise hängt es am seidenen Faden.“ In der Nacht zuvor sei eine Einigung jedenfalls „nicht im Ansatz“ herstellbar gewesen. Die Jamaika-Sondierungen waren am frühen Morgen unterbrochen worden und sollten am Freitagmittag fortgesetzt werden.
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt hob wiederum die Bereitschaft ihrer Partei zu Kompromissen hervor. „Auch wenn es noch so hart ist, auch wenn es noch so lange dauert, wir bleiben gesprächsbereit“, sagte die Verhandlungsführerin der Partei in einem Video, das die Grünen am Freitagmorgen ins Internet stellten. „Unser Bemühen bleibt, unsere Kompromissbereitschaft bleibt.“ Die Grünen hätten in der langen Verhandlungsrunde am Donnerstag, die am frühen Freitagmorgen unterbrochen worden war, „immer wieder Angebote gemacht, versucht, Kompromisse zu schließen“, und seien „an Schmerzpunkte“ gegangen. Über viele Fragen sei „sehr konkret geredet“ worden, sagte Göring-Eckardt.
CDU, CSU, FDP und Grüne hatten sich am frühen Freitagmorgen auf den Mittag vertagt. Grund waren unterschiedliche Auffassungen besonders in der Migrations- und Finanzpolitik.
Zustimmung für Jamaika-Bündnis sinkt
Je länger sich die Sondierungsverhandlungen hinziehen, desto mehr nimmt in Umfragen die Zustimmung für ein Jamaika-Bündnis ab. Laut ZDF-“Politbarometer“ fänden es nur noch 50 Prozent gut, wenn es zu einer Koalition aus CDU, CSU, FDP und Grünen käme. Das ist ein Rückgang um 7 Prozentpunkte im Vergleich zu Oktober. 31 Prozent fänden eine Jamaika-Koalition schlecht – 6 Prozentpunkte mehr als zuvor. 16 Prozent der Befragten (plus 2) wäre es egal, wie die jüngste Umfrage der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen laut ZDF-Mitteilung vom Freitag ergab.
Sollte Jamaika am Ende nicht zustande kommen, wären mehr als zwei Drittel der Befragten (68 Prozent) für Neuwahlen – Mehrheiten finden sich dabei quer durch alle Lager von Parteianhängern. Nur 29 Prozent der Befragten sind gegen Neuwahlen.
Klare Mehrheit in Umfrage für Grünen-Positionen
Bestätigt sehen dürfen sich in ihren Positionen der Umfrage zufolge die Grünen. Beim Streitthema Klimaschutz sehen 53 Prozent ihre Vorstellungen am besten von den Grünen vertreten, 17 Prozent von der CDU, 6 Prozent von der FDP und lediglich 3 Prozent von der CSU. Entsprechend plädiert eine klare Mehrheit (64 Prozent) dafür, die Kohlekraftwerke in Deutschland abzuschalten, um die Klimaziele bis zum Jahr 2020 zu erreichen.
Für das Recht von anerkannten Asylbewerbern oder Flüchtlingen, Ehepartner oder Kinder nachholen zu dürfen, sprechen sich 67 Prozent aus, nur 28 Prozent sind dagegen. In allen Parteianhängergruppen außer der der AfD gibt es deutliche Mehrheiten (von 67 Prozent bei der CDU/CSU bis 88 Prozent bei den Grünen) für einen Familiennachzug. Unter den Anhängern der AfD sind nur 19 Prozent dafür. (TT.com/dpa)