TT-Interview

Herzog: „Es zählt nicht nur Eisschnelllauf“

Auch auf Inline Skates erfolgreich: Vanessa Herzog.
© gepa

Seit Ehemann Thomas Herzog heuer das Training seiner Vanessa übernommen hat, geht es mit der Tirolerin schrittweise bergauf. Zuletzt stand die 22-Jährige in Stavanger (NOR) als Dritte am Stockerl – und bei Olympia?

Beachtlich, welchen Weltcup-Auftakt Sie hingelegt haben, Frau Herzog!

Vanessa Herzog: Wir haben im Sommer viel gemacht, legten viel Wert auf Technik und Ausdauer. Dass ich so schnell bin — echt cool ...

Waren Ihre guten Inline-Ergebnisse denn umlegbar auf die Saison?

Vanessa: Nein, das ist wie ein anderer Sport. Aber wenn ich im Sommer gut bin, dann auch im Winter, dann nehme ich das mit.

Sie haben die Struktur zuletzt wieder umgestellt. Was ist neu?

Thomas Herzog (Ehemann, Trainer): Sie fuhr Inline ohne Ende, heuer waren es ca. 2500 km zu 4000 am Rad. Sie änderte ihre Position, indem sie noch tiefer hinuntergeht. Das geht nur mit Kraft und sauberer Technik.

Der Umfang nahm also zu?

Thomas: Sie kommt in Bereiche wie früher in der DDR — 25, 28, 30 Stunden wöchentlich. Und sie will immer mehr machen ...

Ist Ihr Ehemann also der Haupttrainer?

Vanessa: Ja, aber mich berät immer noch eine Australierin — eine andere Meinung ist mir wichtig.

Wie kam es zu der neuen Konstellation? Schließlich ist eine private und eine berufliche Trainerpartnerschaft speziell.

Thomas: Das ergab sich nach der schrecklichen Europameisterschaft im Vorjahr. Da habe ich Vanessa aus dem Trainingsbetrieb genommen, sie ging in der Folge auf Naturseen eislaufen.

Vanessa: Ich machte einfach das, was mir Spaß machte.

Thomas: Sie wollte die Saison vorzeitig beenden, aber da war ich dagegen. Sie sollte den negativen Flow nicht in die Olympiasaison mitnehmen.

Herr Herzog — man kennt Sie in erster Linie als Manager von Leuten wie Kira Grünberg (verunfallte Leichtathletin, Anm.), Eisschnellläufer waren Sie nie. Was ließ Sie diese Aufgabe annehmen?

Thomas: Ich habe die Trainerausbildung und zudem in den Niederlanden Kurse absolviert. Ich habe die Befähigung, habe jeden Trainingsplan, jedes Rennen analysiert.

Und Ihre Management-Tätigkeit?

Thomas: Seglerin Lara Vadlau ist derzeit in Ausbildung, die Zusammenarbeit mit Kira nach ihrem Gang in die Politik zurückgestellt. Aber Rodler Wolfgang Kindl (Doppel-Weltmeister, Anm.) kam zuletzt dazu.

Wie ist das in so einer Eisschnelllauf-Partnerschaft?

Vanessa: Ich traue mich viel eher, Sachen zu sagen, Kritik zu äußern, weil wir zusammen sind. Natürlich fetzen wir uns auch, da werden im Training sogar die Radln herumgeschmissen, aber dann passt's wieder. Wir vertragen uns schnell wieder. Und wir versuchen, nicht ununterbrochen übers Eislaufen zu reden.

Was tun Sie, wenn Sie nicht sporteln?

Vanessa: Zuhause in Ferlach (Kärntner Wahlheimat, Anm.) tue ich — nichts. Oder ich kümmere mich um unsere zwölf Hühner, die zwei neuseeländischen Schweine Kiwi und Haka und unsere zwei Gänse. Wir essen keine Tiere, das sind unsere Haustiere. Und Gänse-Eier — die schmecken richtig toll.

Die Saisonvorbereitung war von einem schweren Unfall geprägt.

Thomas: Wir wollten eine Mountainbike-Tour auf die Klagenfurter Hütte unternehmen, ein Lkw mit glücklicherweise leerem Baumaufleger überholte Vanessa an einer Engstelle und brachte sie zu Fall, ich war direkt hinter ihr.

Wie erlebten Sie die Situation?

Thomas: Es war schrecklich! Vanessa kam seitlich unter die Räder, es wirbelte sie unter den Anhänger, zurück blieb nicht mehr als eine 40 cm lange Narbe vom Oberschenkel bis zum Rücken.

Das grenzt an ein Wunder, muss es angesichts der Geschehnisse heißen.

Thomas: Sie saß auf dem Boden, weinte, aber es war nichts passiert: kein Bruch, keine Bänderverletzung. Am Donnerstag, als es passierte, wollte ich ein am darauf folgenden Montag beginnendes Trainingslager absagen, aber wir fuhren dann doch.

Was blieb vom Unfall?

Vanessa: Nur ein Hämatom, das wir nach der Olympia-Saison operativ entfernen lassen müssen.

Haben Sie nun einen anderen Zugang zum Leben?

Vanessa: Nun, ich habe gesehen, dass auch andere Dinge als Eisschnelllauf zählen und wie schnell es vorbei sein kann.

Aber irgendwann holt einen dann der Alltag ein, dann kommen Journalistenfragen wie „Träumen Sie von einer Olympiamedaille?".

Thomas: Angestrebtes Ziel ist klar eine Medaille, aber Vanessa will das nicht sagen, das ehrt sie.

Vanessa: Wir müssen im Eisschnelllauf-Weltcup regelmäßig in die Top 5 kommen, dann ist in Pyeongchang auch eine Medaille möglich.

Thomas: Das wird schwer genug. Andere Nationen stecken alles in diese Sache rein, viel Geld. Wir fuhren einmal mit dem Bus der Japaner mit. Die ganze Entourage umfasste 35 Leute — für vier Athleten.

Vanessa: Ich stelle mich sicher nicht an den Start und sage ,Ich will gewinnen'. Aber eine Olympiamedaille ist ein Lebenstraum.

Das Gespräch führte Florian Madl

Herzog mit ihren neuseeländischen Schweinen Kiwi und Haka zuhause in Ferlach.
© Herzog