Tirol

Bettler in der Weihnachtszeit: Vorbeigehen oder Geld geben?

Eine bettelnde Frau in der Maria-Theresien-Straße in Innsbruck.
© Thomas Boehm / TT

In der Weihnachtszeit wissen viele nicht, wie sie mit bettelnden Menschen umgehen sollen. Ein Armutsforscher sprach in Innsbruck über Bettelverbote, Gewissensbisse und Sachspenden.

Von Matthias Christler

Innsbruck –Jetzt ist die Zeit für Großzügigkeit, Geschenke kaufen für die Liebsten und eine Gabe für die Ärmsten. So stellt man sich die Weihnachten vor, doch so einfach ist das in Zeiten von Bettelverboten und Mafia-Mythen längst nicht mehr. Die Initiative Minderheiten Tirol lud deshalb zu einem Diskussionabend und ging mit Helmut P. Gaisbauer vom Zentrum für Ethik und Armutsforschung (Uni Salzburg) der Frage nach, wie man einen guten Umgang mit bettelnden Menschen findet. Vorbeigehen oder Geld geben?

„Was ich auf jeden Fall nicht mitzeichnen kann, ist dieses Bild von einem organisierten Betteltourismus. Das als Mafia zu bezeichnen, funktioniert nicht, weil man in so einer Organisation mit einem Kilogramm Kokain oder einer Waffe mehr verdient als mit 100 Bettlern“, stellt der Armutsforscher im Gespräch mit der TT klar. Deshalb läuft für ihn das Argument, dass man mit einer Geldspende nicht den bettelnden Menschen, sondern Kriminelle unterstützt, ins Leere.

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Zur "Initiative Minderheiten Tirol": minorities.at

Politisch wird das trotzdem verwendet, um etwa das Bettelverbot in der Innsbrucker Innenstadt zu rechtfertigen. Der Bürger, der ethisch Schwierigkeiten hat, einen am Boden knienden Menschen zu ignorieren, „kann sich auf die politische Entscheidung berufen und muss sich selbst nicht quälen“, sagt Gaisbauer. In Salzburg wurde das Bettelverbot vom Verfassungsgerichtshof inzwischen gekippt und in Innsbruck wird außerhalb der Fußgängerzonen gebettelt.

Ein Patentrezept für den Umgang mit Bettlern hat der Armutsforscher nicht. Auch für ihn es schwierig zu entscheiden, wie oft er geben soll. Einmal im Monat, einmal in der Woche, einmal am Tag? „Mir hilft es, wenn ich sehe, dass andere geben. Das löst mich vom Druck, dass ich heute etwas geben sollte“, gewährt er Einblick in seinen Alltag. Eine bettelnde Frau, die er vor seiner Arbeitsstelle öfters antrifft, erhält hin und wieder Sachspenden. Das funktioniere nur, weil er durch Gespräche mit ihr wisse, was sie benötige. Das ist eine Ausnahme, weil oft die Sprachbarriere eine Kommunikation verhindert, um zu erfahren, ob Kleider für die Kinder in der Heimat wichtig wären oder eine Wurstsemmel für den schnellen Hunger.

Deshalb rät Gaisbauer eher von Sachspenden ab. Auch die in Lienz beschlossenen Gutscheine, die man bei der Gemeinde kaufen kann und mit denen die bettelnde Menschen im Sozialmarkt einkaufen können, sieht er nicht als Ideal­lösung. „Man soll sich von der Vorstellung lösen, dass sich diese Menschen eine Wohltat erwarten. So hart es klingt, sie wollen Geld von uns. Mit dem sichern sie ihre eigene Existenz und die von Verwandten in der Heimat.“

Manchen sind dazu viele Mittel recht. Kinder und Hunde oder vorgetäuschte Leiden gehören zum „Job“. Man solle aber in Rechnung stellen, sagt Gaisbauer, warum sich diese Menschen erniedrigen und was sie alles erdulden müssen. „Vor diesem Hintergrund absolute Ehrlichkeit einzufordern, ist etwas übertrieben. Bei mir kippt es ins Gegenteil, ich bin froh, wenn nicht alles stimmt, was mir gezeigt wird.“

Vorbeigehen oder Geld geben? Das muss immer noch jeder selbst für sich beantworten. Und auch wenn man sich fürs Vorbeigehen entscheidet, kann man etwas geben: ein Stück Würde. „Das kann ein Gruß sein. Alles, was vermittelt, du bist mir nicht egal und ich hasse dich nicht, ist ein Anfang.“

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