VfGH-Präsident Holzinger hofft auf baldige Nachbesetzung

Wien (APA) - Präsident Gerhart Holzinger hofft, dass sein und die beiden anderen mit Jahresbeginn freiwerden Posten im Verfassungsgerichtsho...

Wien (APA) - Präsident Gerhart Holzinger hofft, dass sein und die beiden anderen mit Jahresbeginn freiwerden Posten im Verfassungsgerichtshof bald nachbesetzt werden. „Denn jede lange Vakanz beeinträchtigt die Handlungsfähigkeit“, sagte er im APA-Interview. Im Regierungsprogramm hätte er sich ambitioniertere Schritte zur Stärkung der Demokratie gewünscht.

Es wäre sehr zu hoffen, dass endlich tatsächlich Schritte zur stärkeren Einbeziehung der Bürger sowie zur Staatsreform gesetzt werden. Für den VfGH und den Rechtsstaat insgesamt deponierte er die Hoffnung, dass es in Österreich keine Rückschritte gibt - und die negativen Entwicklungen in Polen oder Rumänien nicht auf andere Staaten übergreifen.

Eine Garantie für Rechtsstaat und Demokratie sei, dass Regierung und Parlament dem VfGH die nötigen Ressourcen für die Erfüllung seiner Aufgaben zugestehen - und dass nur höchstqualifizierte Juristinnen und Juristen zu VfGH-Richtern ernannt werden.

Holzingers Nachfolge ist ebenso noch offen wie die der beiden ebenfalls mit Jahresende aus Altersgründen ausscheidenden VfGH-Mitglieder Eleonore Berchtold-Ostermann und Rudolf Müller. Da die Bestellung mit Ausschreibung und teils Hearings einige Wochen dauert, müssen alle drei ab Jahresbeginn vertreten werden: Die Präsidentenaufgaben übernimmt interimsmäßig Vizepräsidentin Brigitte Bierlein, für die Richter springen Ersatzmitglieder ein.

Einen für den Rechtsstaat problematischen Punkt sieht Holzinger im Regierungsprogramm: Es ist geplant, in Asylsachen die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu streichen. Für den VfGH würde dies zudem „das Problem verschärfen“, sei er doch ohnehin schwer belastet mit Asylsachen. Sie machen 40 bis 45 Prozent der Fälle aus. Ohne Möglichkeit, sich an den VwGH zu wenden, würden noch mehr Fälle an den VfGH herangetragen.

In Sachen Staatsreform hofft Holzinger, dass den - auch in diesem Regierungsprogramm enthaltenen - Ankündigungen endlich Schritte folgen. Die Absicht und Debatten darüber gebe es seit Jahrzehnten. Dringend nötig wäre die Reform der Bundesstaats-Struktur, etwa im Gesundheitsbereich.

„Wenig ambitioniert“ seien die Vorhaben zum Ausbau der Direkten Demokratie. Der Bürgerantrag (mit verbindlicher Behandlung im Parlament) sei zwar ein „ganz guter Ansatz“. Aber die Hürden für eine verbindliche Volksabstimmung nach einem erfolgreichen Volksbegehren (vorgesehen sind 900.000 Unterschriften) erachtet Holzinger für sehr hoch.

Aus seiner Sicht vordringlicher wäre aber eine Personalisierung des Wahlrechts - etwa durch niedrigere Vorzugsstimmenhürden oder Einerwahlkreise (mit entsprechendem Ausgleich wie in Deutschland). Schritte in diesen Richtung vermisst er im Programm von ÖVP und FPÖ. Dabei wäre das „der wirkliche Schlüssel“ zum Ausbau der Demokratie, sei doch ein Hauptgrund für den Politik-Frust, dass das Verhältnis zwischen Wählern und Gewählten nicht intensiv genug ist.

Die stärkere Einbeziehung der Bürger wäre dringend geboten. Demokratie und Rechtsstaat seien auf Dauer nur gesichert, wenn die Mehrheit der Menschen sie beibehalten will und „denen entgegentritt, die sie einschränken oder zerstören wollen“.

Die wichtigsten Entscheidungen des VfGH in seinen fast zehn Jahren als Präsident waren für Holzinger die Aufhebung der Bundespräsidentenwahl und der Vorratsdatenspeicherung, die vielen Entscheidungen im Asylbereich - sowie der (europaweit einzigartige) Grundsatzbeschluss, dass die EU-Grundrechtecharta zum nationalen Verfassungsrecht zählt. Damit wurde z.B. der grundrechtliche Maßstab für die Asylverfahren strenger - wird doch jetzt auch überprüft, ob ein faires Verfahren vorlag. Das wurde zuvor nur in Straf- und Zivilrechtssachen, nicht aber in Verwaltungsangelegenheiten (wie es der Asylbereich ist) eingemahnt.

Holzinger wird sich mit 1. Jänner nicht ganz aus dem Rechtsleben verabschieden. Er hofft zwar, seine sportlichen Ambitionen (Marathonlauf) und kulturellen Interessen jetzt „frei ausleben“ zu können. Aber er bleibt in der Lehre tätig und weiterhin im Universitätsrat der Uni Graz.

~ WEB http://www.verfassungsgerichtshof.at ~ APA026 2017-12-26/07:30