“Digital Detox“: Die Hand vom Handy lassen
„Digital Detox“ lautet ein Gebot der Generation Internet. Es geht darum, unsere Abhängigkeit von Smartphone und Computer zu bekämpfen. Dabei muss man sich selbst überlisten.
Von Markus Schramek
Innsbruck –Schulkinder sind jetzt, Anfang Jänner, tief in die Weihnachtsferien abgetaucht und am ehesten noch über das Smartphone erreichbar.
Wir Erwachsene stehen dem Nachwuchs digital aber um wenig nach: 88-mal pro Tag greift ein durchschnittlicher Nutzer zum liebgewonnenen Kastl, checkt Mails und soziale Netzwerke oder surft gedankenverloren im Internet. Das ergibt im Schnitt 2,5 Stunden Handykonsum täglich, obwohl mit den kleinen Alleskönnern vergleichsweise wenig telefoniert wird.
Jüngere bringen es auf noch viel mehr Onlinezeit. Doch kein Vorwurf an die Jugend: Sie ist mit digitalen Medien aufgewachsen. Ein Leben ohne Internet ist ihr fremd.
Soziale Netzwerke schicken ihre Jünger aller Altersgruppen quer durch das Web. Hier ein Bildchen oder ein Video, da ein verheißungsvoller Link zu einem aufgeregten, aber inhaltsarmen Text. Am Ende steht dann oft diese Erkenntnis: Viel Zeit verplempert, gebracht hat es rein gar nichts.
Dass es so nicht weitergehen kann, ist den meisten bewusst. Und die Gegenbewegung läuft bereits. „Digital Detox“ heißt dieser Trend, der immer mehr Follower findet (um in der Sprache der sozialen Medien zu bleiben).
Detox steht für „Detoxification“, auf Deutsch „Entgiftung“. Und das ist nicht übertrieben. Denn das Smartphone, so sehr es die Kommunikation erleichtert, hat uns auch abhängig gemacht.
Vergessen wir das rechteckige Handgerät zu Hause, haben wir das Gefühl, am Leben nicht mehr richtig teilzunehmen. Rastlos und ruhelos sind wir Benützer. Alexander Markowetz von der Universität Bonn (D) warnt in seinem gleichnamigen Buch gar vor dem „Digitalen Burnout“ (erschienen im Droemer Knaur Verlag, München).
Wissenschafter Markowetz befasst sich mit der Frage, was wir gegen diese neue Sucht tun können. Nach Durchsicht seines Buches ist eines klar: Viel Selbstdisziplin ist nötig. Man muss sich regelrecht austricksen, um vom Smartphone wenigstens zeitweise die Finger lassen zu können. Nichts ist so verlockend wie der Griff zum Handy – wenn es sich in Griffweite befindet.
Und hier rät Markowetz (und nicht nur er) dringend dazu, wenigstens das eigene Schlafgemach zur smartphone- und computerfreien Zone zu erklären. „Das Handy bleibt draußen!“, lautet die Vorgabe. Auch als Wecker ist es im Schlafzimmer unerwünscht. Denn sonst hat man es ja erst recht abends als letztes und morgens als erstes Utensil in der Hand – mit allen Versuchungen, gleich wieder online hängen zu bleiben.
Auch tagsüber lässt sich der Handykonsum durch Selbstüberlistung eindämmen. Die ersten Sekunden sind entscheidend: Ist das Handy sofort verfügbar, wird es gerne verwendet, um Zeit totzuschlagen, etwa beim Warten auf den Bus. Aber, so Markowetz: „Ist es etwa in der Innentasche des Rucksacks verstaut, verliert es an Attraktivität, denn es muss erst mühsam wieder hervorgekramt werden.“
Der Fantasie sind beim „Digital Detox“ keine Grenzen gesetzt. An bestimmten Tagen offline zu gehen, ist ein weiterer Ansatz. So schaltet man beispielsweise am Sonntag gezielt das Handy aus. Man entsagt also der digitalen Welt und erobert sich damit analoge Welten zurück.
Die dem Smartphone abgerungene Zeit lässt sich wunderbar damit verbringen, Bücher zu lesen oder sich im Freien zu bewegen. Beide Tätigkeiten führen nachweislich dazu, dass der Mensch ruhiger wird und sein Stresspegel sinkt. „Runterkommen“ wird das in unserer ziemlich hektischen Welt salopp genannt.
Ausgesprochen raffiniert ist es, seine Handy-Diät mithilfe des Handys zu kontrollieren. Apps helfen dabei, den eigenen Onlineverbrauch zu veranschaulichen. Buchautor Markowetz hat dafür die App „Menthal“ (nur für Android) entwickelt. Diese zählt mit, wie oft pro Tag das eigene Smartphone in Betrieb geht. Selbsterkenntnis ist ja bekanntlich der erste Schritt zur Änderung von Verhalten.
Die App „Offtime“ (für iPhone und Android) wiederum ermöglicht es, das Handy für längere Phasen überhaupt ruhigzustellen. Man kann zum Beispiel nur Anrufe bestimmter Personen durchlassen. Der Rest wird unterdrückt, inklusive SMS und jegliche Nachrichten diverser Apps.
Aber keine Angst: Eine „Not-aus“-Funktion gibt es bei „Offtime“ auch. Für den Fall, dass man die Online-Abstinenz doch nicht so lange durchsteht wie erhofft. Vielleicht ja beim nächsten Mal.