Bezirk Kufstein

Tiroler Festspiele Erl: Das Theater ist der Thron der Musik

Die Kammeroper „Mise en Abyme/Widerspiegelung“ erlebte bei den Tiroler Festspielen Erl ihre österreichische Erstaufführung.
© Tiroler Festspiele Erl

Bei den Tiroler Festspielen Erl war in höchster Qualität eine Perle zeitgenössischen Musiktheaters zu erleben.

Von Ursula Strohal

Erl –Fast jeder kennt sie, zwischen zwei Spiegeln stehend, die unendlich fortgesetzte Spiegelung seiner selbst. Das Verfahren eines sich selbst enthaltenden Bildes, aus dem Altfranzösischen als „Mise en abyme“ bezeichnet, hat sich auch die Literatur zu Eigen gemacht.

Zwischen Brahms und Puccini lagen im Erler Festspielhaus Spiegelungen unserer Zeit. „Kompositionen des 20. Jahrhunderts zitieren unbewusst Alte Musik“, sagt die Komponistin und Professorin der Musikwissenschaft, Lucia Ronchetti, deren Oper „Mise en Abyme/Widerspiegelung“ der Mittwochabend in Erl gehörte. „Alles, was heute geschrieben wird, war … schon einmal da ... Entscheidend sind die neuen Facetten in jeder Komposition – ein Finden statt Erfinden.“

Ronchetti, prominent unterwegs zwischen Alter und Neuer Musik, spiegelt feinsinnig und humorvoll die 1742 in Neapel uraufgeführte Opera seria „Didonec abbandonata“ von Pietro Metastasios und Domenico Sarros. Ein zweiaktiges Intermezzo handelte damals in den Pausen die aufwändigen Bedingungen einer Opernproduktion ab. Ronchetti verbindet mehrere Perspektiven zu einem Ganzen, textlich traf sie mit Anne Gerber eine Auswahl aus Metastasios Briefen und Libretti.

Die Sängerin, dekorativ wie Dita von Teese in ihrer Badewannentasse, lässt sich vom Impresario umwerben. Abseits von Bühne und Pose ist sie ein bisschen neurotisch, ein bisschen hilflos und ein bisschen dumm. Das Vorsingen liegt ihr nicht, und kaum hat sie ihren Job, wuchern die Ansprüche. In das reale Leben dieser Frau legt die Komponistin, wie sie berichtet, für einen natürlichen Ausdruck „von Weill und Offenbach entlehnte melodische Verläufe“. Dann wird in die „Dido“-Seria eingeblendet, und da ist die Sängerin artifiziell und groß. Maria Radoeva, Sopranstar in Erl, liefert – hinreißend aussehend und stimmlich brillant changierend – mit dieser Rolle ein Kabinettstück ab. Jan Jakub Monovid, Impresario und Aeneas, ist als hervorragender Countertenor an ihrer Seite. Alec Avedissian hat mit seinem weichen, klangvollen Bariton eine wunderbare Szene des Metastasio, in der er kritisch seine Welt durchleuchtet und bekennt: „Das Theater ist der Thron der Musik.“ Eine kleine Verwandlung führt auch ihn in die Opera seria. Ein Vokalquartett in wechselnder Funktion fällt durch seine grandiose Leistung auf.

Qualitätsgarant Tito Ceccherini und sein Ensemble Risognanze heben die Zeiten auf, barockbereit sowie zart, reduziert, auf unsere Zeit verweisend. Riccardo Canessa (Regie), Giacomo Callari (Bühne) und Claudia Thaler (Kostüme) brachten dieses selbstreflexiv geistreiche, kunstvoll hinterfragende Kaleidoskop auf die Bühne, einmal mehr eine Perle abseits der überbuchten Selbstläufer.

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