Rollstühle aus Tirol retten auf den Philippinen Leben
Mit Heilbehelfen, die hierzulande ausgemustert werden, gibt der Verein „Wheels for Life“ behinderten Menschen auf Mindanao eine Zukunft.
Von Michael Domanig
Innsbruck –In einem Tragluft-Gewächshaus am Innsbrucker Fürstenweg, das über den Winter leersteht, wird derzeit auf Hochtouren geschleift, gehämmert und geschraubt. Der Verein „Wheels for Life“ mit Sitz in Innsbruck arbeitet hier an einer spektakulären Sozialaktion: Gebrauchte Rollstühle werden zuerst auf Vordermann und dann auf die Philippinen gebracht. Denn dort seien Hilfsmittel für Menschen mit Behinderung „praktisch ein unleistbares Gut“, erklärt Vereins-„Vize“ Lukas Huter. Ein Gesundheitssystem existiere kaum, die Kosten für Rollstühle seien ähnlich hoch wie hierzulande, die Kaufkraft liege dagegen nur bei etwa einem Zehntel. Und ausgemusterte Secondhand-Rollstühle gebe es ohnehin nicht.
Initiator der Aktion war der heutige Vereinspräsident Martin Baumgartl, der selbst im Rollstuhl sitzt: Er war auf den Philippinen auf Urlaub und lernte dort seine jetzige Frau Jinky kennen. „Sie erzählte mir, dass ihr Bruder – der nach dem Sturz von einer Palme querschnittsgelähmt war und von Schwester und Mutter gepflegt wurde – sein ganzes Leben liegend auf einer Matratze verbringen musste, weil er keinen Rollstuhl hatte“, schildert Baumgartl. „Ich erfuhr, dass das fast die Regel ist – und dachte, dass man da was unternehmen muss.“ Zurück in Tirol wurde dieses Vorhaben schrittweise in die Tat umgesetzt. Die Vereinsgründung erfolgte 2013, bald darauf ging ein erstes Rundschreiben an Heime und Krankenhäuser in ganz Österreich hinaus. „Wir sammelten, bis ein Container voll war“, so Baumgartl. Schon nach einem Jahr war genug Material beisammen.
Im Juli 2014 erfolgte der erste – größtenteils über Eigenmittel des Vereinsvorstandes finanzierte – Transport in die Millionenstadt Davao City auf Mindanao. Die Verteilung erfolgte mit der Partnerorganisation „Jubilee Foundation“.
Nun geht das Projekt in Runde zwei: Schon 2015 kontaktierte Baumgartl erneut zahlreiche Krankenhäuser, Seniorenheime und Reha-Einrichtungen in Tirol und Südtirol, mit der Bitte, gebrauchte Heilbehelfe, die sonst der Schrottpresse geweiht wären, zur Verfügung zu stellen. Zwei Jahre lang „tourte“ Huter – der sich als Unternehmer im Bereich Veranstaltungsorganisation mit Logistik auskennt – in seiner Freizeit durch die Lande. Sogar am Heiligen Abend holte er in Südtirol noch Rollstühle ab. Die Resonanz sei „hochpositiv“, freut er sich: Rund 200 Rollstühle, Leibstühle und Rollatoren wurden gesammelt. „Im Neupreis würden sie ca. 200.000 Euro kosten. Das Material ist oft 1a, es wäre Verschwendung, wenn es auf dem Müll landet.“
Die Suche nach einem geeigneten Ort für Reinigung, Reparatur und Inventarisierung gestaltete sich hingegen zäh, bis eine Innsbrucker Gärtnerei ihr Gewächshaus bereitstellte. In der provisorischen Waschbox und Werkstatt sind nun freiwillige Helfer im Dauereinsatz. Denn schon am 4. Jänner werden die gesammelten Rollstühle und Gehhilfen in einen Container verladen, per Lkw nach Hamburg und von dort per Schiff über China nach Davao City gebracht. Wie schon 2014 übernimmt eine Wörgler Spedition den Transport. Mitte Februar fliegt der Vereinsvorstand auf die Philippinen, um die Verteilung vor Ort zu überwachen.
2014 sei die Übergabe sehr bewegend gewesen, erzählt Baumgartl: „Jeder, der einen Rollstuhl erhielt, bedankte sich persönlich und schüttelte uns die Hand. Man konnte die Freude und Herzlichkeit der Menschen hautnah spüren.“ Teilweise mussten die Empfänger zur Verteilung der Rollstühle getragen werden, erinnert sich Huter.
„Wer den ganzen Tag auf Matten liegen muss, liegt sich rasch wund – und stirbt dann oft an einer Sepsis“, macht Baumgartl deutlich. Und bei Naturkatastrophen – von denen die Region erst vor Kurzem wieder heimgesucht wurde – könnten Menschen mit Behinderung ohne Rollstuhl nicht evakuiert werden. Zu sagen, dass der Verein „Wheels for Life“ mit seiner Tätigkeit tatsächlich Leben rettet, ist also nicht übertrieben.