Rallye Dakar

Kinigadner: „Das wird nicht mehr lange gut gehen“

Der Tod und die Dakar: 67 Todesopfer forderte die härteste Rallye der Welt von 1978 bis heute.
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KTM-Sportmanager und Motocross-Legende Heinz Kinigadner schlägt Alarm: Der nächste Tote bei der Rallye Dakar, die am 6. Jänner 2018 startet, sei nur eine Frage der Zeit. Mensch und Maschine seien längst am Limit.

Von Daniel Suckert

Innsbruck – Mit dem bevorstehenden Jahreswechsel steht auch stets die härteste und längste Rallye ante portas. Eigentlich ein Grund zur Vorfreude, wenn man bei Tirols Motocross-Legende Heinz Kinigadner nachfragt. Allerdings ist die Freude heuer nicht ungetrübt. Der Zillertaler hebt vor dem Auftakt am 6. Jänner 2018 mahnend den Zeigefinger. Dem gelernten Bäcker geht die Gelassenheit der Veranstalter gegen den Strich.

„Die Motorrad-Piloten, die heute am Start sind, zählen zu den besten Offroad-Fahrern der Welt“, holt der Ende der 80er-Jahre in die Rallye-Szene eingestiegene Motorradfahrer aus. „Doch die Rallye Dakar hat sich mittlerweile zu einer Sekundenjagd entwickelt. Das Abenteuer ist nach hinten gereiht worden. Darum bewegen sich die Besten zu oft über dem Limit. Das wird nicht mehr lange gut gehen.“

Die Dakar soll Bilder des Abenteuers liefern und keine rasenden Stars, die bei einem Sturz mit jenseits der 150 km/h durch die Luft wirbeln. Das ist nichts, was wir brauchen.
Heinz Kinigadner

Kinigadner befürchtet, dass die Zeitenjagd weitere Tote fordern könnte. Allerdings nicht irgendwelche Hobbyfahrer, sondern die besten Motorrad-Piloten im Feld. Denn gewisse Risiken kann man nicht abstellen. Kini­gadner: „Die Dakar soll Bilder des Abenteuers liefern und keine rasenden Stars, die bei einem Sturz mit jenseits der 150 km/h durch die Luft wirbeln. Das ist nichts, was wir brauchen.“

Zu Kinigadners aktiven Zeiten war die härteste und längste Rallye noch in Afrika (bis 2008). Für PS-Romantiker heute noch der einzig wahre Kontinent für das Spektakel. Das sieht „Kini“ etwas differenzierter: „Als KTM-Vertreter ist mir der südamerikanische Kontinent lieber, weil ich dort einen Markt habe, den ich in Afrika nicht habe. Aber als Aktiver sehe ich das natürlich wieder anders.“

Zelt statt Motorhome mit Klimaanlage

Die Qualität zu Zeiten des mehrfachen Motocross-Staatsmeisters war noch eine andere. Kinigadner: „Da gab es nicht so viele gute Piloten. Aber selbst die Besten unter ihnen sind abends am Etappenziel angekommen, ohne zu wissen, wie sie eigentlich dort hingekommen sind. Dann bist du nicht in dein Motorhome mit Klimaanlage, sondern in einem Zelt gelegen.“ Abenteuer pur für den Mitbegründer der „Wings for Life“-Stiftung. Das ging ihm in all den Jahren immer mehr verloren.

Mehrmals sprach er mit den Veranstaltern über die stets risikoreiche Sekundenjagd. Doch die wollen von seinen Warnungen nichts hören und verweisen auf die Statistik. Der letzte Motorradfahrer starb 2015 – der Pole Michal Hernik wurde dehydriert aufgefunden. Ähnlich wie derzeit im alpinen Skisport, sieht Kinigadner alle Ingredienzen am Limit angekommen.

Rallye Dakar in Zahlen

Terminplan: Start: 6. Jänner 2018; Erste Etappe: Lima-Pisco (272 km/Wertung: 31 km); Ruhetag: 12. Jänner. Letzte Etappe: Cordoba (284 km/Wertung: 119 km) – am 20. Jänner.

Übersicht:

Die größte Gesamtdistanz müssen mit 8793 Kilometern die Autos absolvieren, die mit 4329 Kilometern auch die größte Wertungsdistanz fahren. Bei den Motorrädern und Quads fließen „nur“ 4234 Kilometer in die Endabrechnung ein, bei den Trucks sogar nur 4154 Kilometer.

Im Detail:

Es geht in 14 Etappen durch die drei Länder Peru, Bolivien und Argentinien. Insgesamt stehen 332 Fahrzeuge bei dem Abenteuer in Südamerika am Start: Davon sind es 190 Motorräder und Quads, 100 Autos und 42 Trucks.

Alles sei ausgereizt. Eingriffe auf Seiten der Navigation seien nicht mehr möglich, „sonst wird es nur noch eine Lotterie“. Trotzdem müsse wieder das Prinzip „weniger ist mehr“ gelten. Alles sollte so in die Richtung „Camel Trophy“ (1980-2000) gehen. Das war eine Autorallye mit Expeditionscharakter, wie Kinigadner sich gerne erinnert.

Ebenso am Limit seien die Bemühungen des Veranstalters, was die Fairness unter den Teams betrifft. „Wir sind Teil des Problems. Wir sind Seriensieger und das ist Gift für eine Rennserie. Darum finden wir auch fast kein Gehör mehr bei den Herren“, berichtet der Tiroler. „Dass Konkurrent Honda nun auch noch Sponsor mit Millionen an Ausgaben der Serie ist, lass’ ich einmal so im Raum stehen.“

Streckenbesichtung als „No-Go“

Immer wieder suchen die Teilnehmer nach Vorteilen im Graubereich. So gibt es Gerüchte, dass der ein oder andere Mitfavorit bei der Dakar wenige Monate vor der ersten Ausfahrt sich vor Ort ein Bild gemacht hätte. Ein absolutes „No-Go“. Ebenso wird unter den Fahrern gemunkelt, dass das eine oder andere japanische Team heimlich mit GPS arbeitet. In der Nachforschung, ob diese Gerüchte stimmen, wird zu wenig von Seiten der Dakar-Führungsriege getan, beanstandet der Familienvater.

Nur „jammern“ will „Kini“ aber nicht. Schließlich sei man 16-facher Gesamtsieger (2001-2007; 2009-2017) und wisse, dass der Triumph auch bei diesem Auftritt in Südamerika nach dem Jahreswechsel nur über das rotweißrote Team führen kann. Und das in Person von Matthias Walkner. Der Salzburger gilt bei seinem vierten Start als Top-Favorit auf die Dakar-Krone.