Kosovarischer Serbenführer Ivanovic bei Attentat getötet

Prishtina (Pristina)/Belgrad (APA/AFP/dpa) - Ein Mordanschlag hat am Dienstag den Kosovo erschüttert: Unbekannte erschossen am Morgen Oliver...

Prishtina (Pristina)/Belgrad (APA/AFP/dpa) - Ein Mordanschlag hat am Dienstag den Kosovo erschüttert: Unbekannte erschossen am Morgen Oliver Ivanovic, einen der wichtigsten serbischen Politiker in der Region. Nach Angaben seines Anwalts und der Polizei wurde der als moderat geltende Politiker bei seinem Eintreffen vor der Parteizentrale in der nördlichen Stadt Mitrovica von fünf Kugeln getroffen, die von einem Auto aus abgefeuert wurden.

„Ich bin darüber informiert worden, dass er an Ort und Stelle erschossen wurde und Bemühungen, ihn im Krankenhaus von Mitrovica wiederzubeleben, erfolglos geblieben sind“, hatte Ivanovics Anwalt, Nebojsa Vlajic, bekanntgegeben. Örtliche Medien berichteten unter Berufung auf die Polizei, es sei ein ausgebranntes Auto gefunden worden, von dem aus mutmaßlich die Schüsse auf den 64-jährigen abgegeben wurden. Staatsanwalt Shyqri Syla sagte, es sei unklar, wer hinter dem Mord stecke, die Ermittlungen laufen. Laut dem staatlichen TV-Sender RTK hat die kosovarische Polizei 10.000 Euro für Informationen ausgesetzt, die zur Festnahme der Täter führen.

Die Ermordung Ivanovivs erfolgte an dem Tag, an dem Belgrad und Pristina nach mehr als einem Jahr Stillstand wieder Gespräche über die Normalisierung ihrer Beziehungen aufnahmen. Marko Djuric, Leiter des serbischen Regierungsbüros für den Kosovo, bestätigte gegenüber Belgrader Medien, dass eine von ihm angeführte Delegation die Gespräche unterbrochen habe und nach Belgrad zurückkehren würde. Er nannte den Anschlag einen Angriff auf das „ganze serbische Volk“ und einen „Terrorakt“.

Serbiens Präsident Aleksandar Vucic erklärte nach einer Eilsitzung des serbischen Nationalen Sicherheitsrates, dass sich Belgrad an die EU-Rechtsstaatlichkeitsmission (EULEX) und die UNO-Interimsverwaltungsmission (UNMIK) mit der Forderung gerichtet habe, seinen Behörden die Teilnahme an den Ermittlungen zu ermöglichen. Sprecher beider Organisationen hatten Unterstützung bei der Aufklärung des Mordfalles im Rahmen ihrer Missionen zugesichert.

Außerdem sei auch die serbische Sonderstaatsanwaltschaft für Organisierte Kriminalität beauftragt worden, entsprechende Ermittlungen einzuleiten, sagte Vucic unter Hinweis, dass die Sonderstaatsanwaltschaft im Kosovo keine Befugnisse habe. Die ehemalige südserbische Provinz hatte im Februar 2008 ihre Unabhängigkeit erklärt.

Der Mord droht die ethnischen Spannungen in der Region erneut zu verschärfen. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini verurteilte den Mord in Telefonaten mit Vucic und dem Präsidenten des Kosovo, Hashim Thaci, und rief alle Seiten zu Zurückhaltung auf.

Ivanovic, der auch Albanisch sprach, galt jahrelang als einer der gemäßigten serbischen Politiker im Kosovo und soll gute Beziehungen zur albanischen Mehrheit unterhalten haben. Von der serbischen Regierung war Ivanovic 2008 als Staatssekretär im Kosovo-Ministerium engagiert worden. Seine Partei, die Bürgerinitiative SDP, gehört zu der im Kosovo mitregierenden „Serbischen Liste“.

Im November 2014, wurde der Maschinenbauingenieur allerdings im Kosovo wegen Kriegsverbrechen angeklagt und zwei Jahre später zu einer neunjährigen Haftstrafe verurteilt. Das Gericht sah es damals als erwiesen an, dass Ivanovic am 14. April 1999 in Kosovska Mitrovica als Mitglied einer serbischen paramilitärischen Einheit der Erschießung von vier albanischen Zivilisten zugestimmt hatte. Ivanovic bestritt im Verfahren die Vorwürfe. Das Urteil wurde später aufgehoben, seit vergangenem August lief ein neu aufgerollter Prozess.

Ivanovic war nach dem Krieg ein wichtiger Vermittler in den Gesprächen mit der NATO, der UNO und der EU. Er trat für einen Ausgleich zwischen der serbischen Minderheit und der albanischen Bevölkerungsmehrheit ein. Aufmerksamkeit erhielt er unter anderem auch dadurch, dass er sich äußerst kritisch gegenüber der Belgrad-treuen „Serbischen Liste“ äußerte und die Politik Belgrads im Kosovo öffentlich kritisierte. Im vergangenen Jahr hatte er einen Vize-Posten im Stadtrat von Nord-Mitrovica erhalten.

Das Attentat am Dienstag war nicht der erste Anschlag auf den 64-jährigen Chef der SDP (Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit). Im Jahr 2005 war eine Bombe unter seinen Dienstwagen gestellt und im Juli 2017 sein Wagen in Brand gesetzt worden.