Polen

Richter von Oberstem Gerichtshof in Polen kritisieren Justizreformen

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Viele der neuen Regelungen würden gegen die Verfassung verstoßen, das Prinzip der Gewaltenteilung verletzen und die Unabhängigkeit von Gerichten und Richtern beschneiden.

Warschau, Brüssel – Die Richter von Polens Oberstem Gerichtshof haben die umstrittenen Justizreformen der nationalkonservativen Regierung verurteilt. Viele der neuen Regelungen würden gegen die Verfassung verstoßen, das Prinzip der Gewaltenteilung verletzen und die Unabhängigkeit von Gerichten und Richtern beschneiden, kritisierten die Richter am Dienstag in einer gemeinsamen Erklärung.

Die neuen Gesetze über das Oberste Gericht, die anderen Gerichte des Landes und die Standesvertretung der Richter seien zudem unter Missachtung der Grundregeln des Gesetzgebungsprozesses entstanden. Durch die Reformen wird unter anderem die Amtszeit von fast der Hälfte der Richter des Obersten Gerichtshofs beendet.

Die kritische Erklärung zu den Reformen wurde von der Generalversammlung des Obersten Gerichtshofs verabschiedet. 69 der Richter des Gerichts stimmten für die Erklärung, drei stimmten dagegen und drei enthielten sich. Bereits im Dezember hatte Gerichtspräsidentin Malgorzata Gersdorf in einem offenen Brief von einem „Gewaltakt“ der Regierung gesprochen und vor einem „Abbau des Rechtsstaates“ gewarnt.

Zerwürfnis zwischen Polen und EU

Die Justizreformen haben auch zu einem tiefen Zerwürfnis zwischen der polnischen Regierung und der Europäischen Union geführt. Im Dezember beantragte die EU-Kommission ein Strafverfahren gegen Polen, das – zumindest theoretisch – bis zum Entzug von Stimmrechten auf EU-Ebene führen kann. Der neue polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki hat angekündigt, der EU-Kommission die Reformen „erklären“ zu wollen. Am Mittwoch wird der neue Außenminister Jacek Czaputowicz in Berlin vom deutschen Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) empfangen.

Kurz stützt EU-Kommission

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) macht im Streit zwischen Polen und der EU-Kommission Druck auf Warschau. „Es braucht egal in welchem Mitgliedsstaat immer ein genaues Hinsehen, wenn Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Gefahr sind oder zumindest dieser Eindruck entsteht“, sagte Kurz der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Mittwoch) mit Blick auf die umstrittenen Justizgesetze in Polen.

Darüber zu wachen, liege in der Verantwortung der Europäischen Kommission, die ihrer Rolle im Fall Polens nachgekommen sei. „Wir werden die Kommission, wenn es notwendig wird, unterstützen“, betonte Kurz. Brüssel hatte gegen Polen erstmals in der Geschichte der EU ein Sanktionsverfahren wegen Gefährdung von Grundwerten eingeleitet. Zugleich sprach sich Kurz dafür aus, Spannungen zwischen östlichen und westlichen Mitgliedstaaten der EU abzubauen. Wenn das nicht gelinge, werde die Zusammenarbeit immer schwieriger, warnte der Kanzler. „Wo es sinnvoll und richtig ist, wollen wir daher eine Brückenfunktion einnehmen, um den Zusammenhalt in der EU zu stärken.“

Der 31-Jährige wird am Mittwoch in Berlin von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) empfangen. Auch der neue polnische Außenminister Jacek Czaputowicz ist zu Gast in Berlin und trifft Außenminister Sigmar Gabriel (SPD). (APA/dpa)