Royales Schattenboxen auf der Schräge
Das Theater an der Wien spielt Donizettis grandiose „Maria Stuarda“ in einer wenig überzeugenden Neuproduktion.
Von Stefan Musil
Wien –Am Ende gelingt Regisseur Christof Loy dann endlich doch ein Bild, das aufregt. Allerdings nicht, weil es so spannend, überzeugend oder schön wäre. Maria Stuarda liegt im Lichtkegel am Boden, während ihre Gegenspielerin Elisabetta, die davor ihr Todesurteil unterzeichnet hat, diesmal höchstpersönlich den Scharfrichter gibt. Sie schwingt im schicken Hosenanzug die Axt. Kurz bevor sie auf die schottische Königin niederfällt, geht das Licht aus.
Man staunt über so wenig Vertrauen in die Intelligenz der Zuschauer, denen ein so überplakatives Bild zum Finale hingeworfen wird. Erst recht von Loy, der zuletzt dem Publikum hier etwa einen grandiosen „Peter Grimes“ von Britten geschenkt hat.
Geschenkt bekommt es diesmal jedoch etwas wenig, wenn sich die schottische Maria Stuart und Englands Elisabeth I. zum Schlagabtausch treffen. Auf Wunsch von Regisseur und Intendant werden die Kritiker diesmal sogar auf den Rang gesetzt. Den Grund versteht man schnell. Aus dem Parkett würde man wohl wenig sehen und vielleicht auch weniger von den Sängern hören. Denn es ist eine große, ganz steil schräg gestellte Drehscheibe, die die Bühne (Ausstattung: Katrin Lea Tag) beherrscht. Wenn sie sich an ihrem tiefsten Punkt nach vorne zum Bühnenrand gedreht hat, bekommen auch die Gäste im Parkett etwas zu sehen, sonst findet das Geschehen vor allem ein paar Meter hoch über dem Bühnenboden statt. Dazu knackst das drehende Ungetüm störend und permanent.
Vom Rang ergeben sich zumindest ein paar hübsche Bilder. Aber der Effekt ist schnell verpufft, denn Loy fällt zu Donizettis Infight der Königinnen wenig Überzeugendes, dafür viel Konventionelles ein. Im ersten Teil, bis zum Zusammentreffen der Konkurrentinnen, lässt er die Sache historisierend spielen. Danach, wenn Elisabetta das Todesurteil unterzeichnet und Maria sich auf die Hinrichtung einstimmt, setzt er die Sache ins Allgemeingültige. In ein Heute, in dem die Sängerinnen, ohne Maske und Kostüm, ganz sie selbst sein dürfen. Loy dreht sich dabei mit seinen eigenen Stilmitteln im Kreis. Alles schon gesehen. Und wenn Stillstand droht, lässt er schnell ein paar Statisten manieriert herumtänzeln.
Doch auch musikalisch kommt diese grandiose Primadonnen-Oper kaum vom Fleck. Dirigent Paolo Arrivabeni bemüht sich mit dem artig folgenden ORF Radio-Symphonieorchester Wien um Zwischentöne, hat darüber aber ganz vergessen, dass er hier ein Drama um Leben und Tod vor sich hat, eine funkelnde, feurige Partitur.
Die lebt natürlich vor allem von den beiden Hauptdarstellerinnen. Alexandra Deshorties ist eine imposant agierende Elisabetta, eine strenge, in ihren Zwängen gefangene Politikerin. Diese Härte legt sie auch in ihre Stimme, die auf der schrillen Seite und keine genuine Belcanto-Schönheit, aber um rasanten Ausdruck bemüht ist. Eine mögliche Gangart. Als ihr Gegenpart Maria ist die darstellerisch ebenfalls überzeugende Marlis Petersen ganz gegen den Stimmtyp besetzt. Es ist ein Grenzgang, der ihren Sopran auch oft ans Limit führt, der dieser Belcanto-Rolle den artifiziellen Glanz versagt, dafür in den lyrischen Passagen berührend schön gelingt. Die Tenor-Agenden hat Norman Reinhardt über, der den zwischen den Königinnen hin- und hergerissenen Leicester gibt. Er macht dabei kein glückliches Bild, klingt stimmlich überfordert, angeschlagen. Stefan Cerny als Talbot, Tobias Greenhalgh als Cecil und Natalia Kawalek als Anna Kennedy überzeugen dagegen an diesem Abend der zu vielen Kompromisse. Belcanto kommt man nicht mit der Axt bei!