Turracherhöhe: Wo andere Ski fahren, geht das Jagdkommando eistauchen
Wien (APA) - Ein Loch klafft im Eis des Sees auf der Turracherhöhe, an der steirisch-kärntnerischen Grenze. Drei Männer im Trockentauchanzüg...
Wien (APA) - Ein Loch klafft im Eis des Sees auf der Turracherhöhe, an der steirisch-kärntnerischen Grenze. Drei Männer im Trockentauchanzügen in schwarz und olivgrün machen sich bereit, ins Wasser zu springen. Der Wind fegt mit 30 km/h über die gefrorene Seeoberfläche und treibt Schnee- und Eiskristalle vor sich her - Extremsportler? Es handelt sich um Kampftaucher des Jagdkommandos, die Eistauchen üben.
Das Setting am Donnerstag mitten in den Nockbergen im Skigebiet Turracher Höhe ist ungewöhnlich: Auf 1.763 Meter Seehöhe, bei minus fünf Grad Celsius - der Wind macht es noch eisiger - stehen ein großes Zelt, mehrere Soldaten und Männer in Tauchanzügen am Eis des 33 Meter tiefen Sees. Im Zelt ziehen sich die Taucher um, ist eine Notfallstation aufgebaut, daneben steht ein alter, aller Flüssigkeiten entledigter US-Jeep, der für Bergungsübungen dient. Die rund 40 Kampftaucher des Bundesheeres und einige Kameraden der deutschen Bundeswehr üben hier buchstäblich den Sprung ins kalte Wasser. An der Oberfläche hat es rund ein Grad Celsius, weiter unten wird es kuscheliger, bei drei bis vier Grad.
Am Übungsplan steht die Kontrolle der Absauganlage für die Beschneiungsanlage, im Realfall wäre es wahrscheinlich der Auslass einer Staumauer, um zu checken, ob nicht eine Sprengladung gelegt wurde. Zwei der Spezialsoldaten des Jagdkommandos überprüfen noch einmal alle Anschlüsse ihrer Atemschläuche, den Sitz der Ausrüstung, dann springen sie ins drei mal drei Meter große Loch im Eis. Rund 30 Minuten soll der Tauchgang dauern, hinunter geht es gesichert an der sogenannten Grundleine. Entfernt sich der Taucher von der Grundleine, spult er eine an ihm befestigte Leine von einem „Reel“ ab.
Plötzlich taucht einer der Männer aus dem Eis: „Regler vereist, Partner verloren“. Sofort „wassert“ der Sicherungstaucher, während ein Soldat mit einem Lawinenverschütteten-Suchgerät das Eis an der fraglichen Stelle abgeht. Jeder der Taucher hat nämlich einen handelsüblichen Lawinenpieps mit dabei, der ein Signal gibt. Nach zwei Minuten ist der vermisste Taucher geborgen und wird zur Sanitätsstation ins Zelt gebracht, wo ihm reiner Sauerstoff verabreicht und er von einem in Tauchmedizin firmen Notfallsanitäter untersucht wird.
Oberstleutnant Michael Novotny, Tauchchef des Jagdkommandos, schildert das Problem. „Durch die Kälte kann die sogenannte erste Stufe des Geräts eine Funktionsstörung bekommen, welches zum Abströmen des Atemgasvorrates führt, sprich, es schließt nach dem Atemzug nicht mehr, der Atemgasvorrat strömt rasch aus. Ein weiteres, physiologisches Problem ist es, dass der Taucher die Luft selbst sozusagen erwärmen und befeuchten muss. Die körperliche Belastung, die Kälte bei mehreren Tauchgängen - die Männer sind am Abend streichfähig, wie man sich denken kann“.
Ausgebildet werden im Turracher See nicht nur Kampf-, sondern auch Pioniertaucher des Bundesheeres und der Bundeswehr. Oberst Volkmar Ertl vom Kärntner Pionierbataillon, selbst auch Taucher bei der Wasserrettung: „Wir bilden mit unseren Fähigkeiten ab, was andere Einsatzorganisationen nicht können, wie zum Beispiel unter Wasser Schweißen“. Das könnten zwar auch zivile Firmen, aber im Zuge eines Assistenzeinsatzeinsatzes muss oft das Jagdkommando ran. Eine Punkt ist auch die Kooperation mit anderen Armeen: „Solche Ausbildungsmöglichkeiten mit zugefrorenen Seen haben wir in Deutschland nicht“, sagte ein Pionier-Feldwebel, der die zweiwöchige Übung absolviert, zur APA. Im Gegenzug üben dann die Österreicher mit den deutschen Marinetauchern in Nord- und Ostsee - und in Österreich mit anderen Einsatzorganisation
Oberst Ertl schildert ein anderes Szenario bei der Übung „Schutz 14“ im Jahr 2014 in Tirol: „Da wurde der Einlasskanal vom Achensee Richtung Inntal gegen mögliche Anschläge geschützt. Da hängt ein wesentlicher Teil der Elektrizitätsversorgung dran“. Und er erinnert sich an eine Bergung im Winter im Kärntner Feldsee, als ein Vermisster tot unter dem Eis gefunden wurde: „Wir können ihn ja nicht bis zur Schmelze im See lassen“.