Die Willkommenskultur geht baden: „Homohalal“ am Pool des Werk X
Wien (APA) - Im winzigen Schlauchboot sind sie übers Meer gekommen und nun gehen sie alle baden. Im Pool. Nicht immer freiwillig. Doch: „Dam...
Wien (APA) - Im winzigen Schlauchboot sind sie übers Meer gekommen und nun gehen sie alle baden. Im Pool. Nicht immer freiwillig. Doch: „Damit wir in unserem schönen beheizten Pool sitzen können, muss jemand draußen die Türe zuhalten!“ Willkommen bei „Homohalal“, dem Stück, in dem Flüchtlinge keine besseren Menschen sind und die Kategorien ganz schön böse durcheinandergemischt werden.
Im Frühjahr 2016 war dem Wiener Volkstheater die Uraufführung des ursprünglich in einem Improvisations-Workshop mit Votivkirchen-Besetzern entstandenen Stücks von Ibrahim Amir zu heiß, nun heizt Ali M. Abdullah im Werk X bei der Österreichischen Erstaufführung der mittlerweile in Dresden uraufgeführten Komödie Publikum und Darstellern ordentlich ein. Im Meidlinger Kabelwerk herrscht dank Ausstatter Renato Uz Hallenbad-Atmosphäre. Und der Regisseur nutzt die Gelegenheit ausgiebig, sein Ensemble rund um Arthur Werner und Stephanie K. Schreiter ins warme Nass stolpern oder hechten zu lassen.
Ja, es ist bisweilen klamaukig. Ja, es werden Witze über Schwule und Ausländer gerissen. Ja, die Pointen sind manchmal besser („Die besten Jahre kommen nach 45 - war ja in Österreich auch so.“) und manchmal schlechter („Dein Gesicht ist noch immer die beste Verhütung.“). Und ja, so kann es gehen: ein Theater, das politisch und zeitgenössisch ist, das keinen Genierer kennt, sich selbst angreifbar macht, das rüde und unkorrekt ist und nachdenklich stimmt.
Am Anfang erzählt der syrische Schauspieler Johnny Mhanna, 1991 in Damaskus geboren, 2012 in den Libanon geflüchtet und 2015 nach Österreich gekommen, darüber, wie viel Arbeit er hierzulande hat: Jedes Theater braucht heutzutage ein Ensemblemitglied mit Fluchthintergrund. Er wird während der nächsten 80 Minuten immer ein wenig das Korrektiv aus der realen Gegenwart bleiben, denn auf der Bühne bringt uns die Zeitmaschine ins Jahr 2037, und da geraten die mittlerweile teilweise sehr bürgerlich gewordenen Flüchtlinge von einst rund um den Pool ziemlich ins Schleudern.
Der Sohn des vorbildlich integrierten Irakers ist zum Leidwesen seines Vaters schwul, der betrauerte, tot geglaubte Freund hat bloß eine bequemere Identität angenommen und konfrontiert die verschworene Gemeinschaft von damals mit einigen in der Erinnerung ausgeblendeten Details, mit denen sich die heroische Zeiten der Willkommenskultur schon etwas mickriger ausnehmen. Im Integrationscafé wurde damals nicht nur Mensch-Ärgere-Dich-Nicht gespielt, und die Motivlage aller Beteiligten hat so manche dunklen Flecken.
Autor Ibrahim Amir lässt am Ende dieser Neufassung, deren Premiere am Donnerstag viel Applaus erhielt, die Situation des Jahres 2018 einfließen und findet im Programmheft harte Worte: „Habe ich jemals daran gedacht, dass die Syrer irgendwann indirekt der Grund sein werden, dass die Befürworter des Austrofaschismus und Nachahmer der Nationalsozialisten hier in Österreich die Mehrheit im Parlament ausmachen werden? Und eine Regierung bilden? Nie im Leben. Und man fragt mich immer noch, wieso ich Komödien bevorzuge? Das Leben ist verdammt komisch.“
(S E R V I C E - Ibrahim Amir: „Homohalal“, Österreichische Erstaufführung, Inszenierung: Ali M. Abdullah, Bühne und Kostüm: Renato Uz. Mit: Constanze Passin, Stephanie K. Schreiter, Yodit Tarikwa, Christoph Griesser, Johnny Mhanna, Daniel Wagner, Arthur Werner. Werk X, Wien 12, Oswaldgasse 35A, Weitere Aufführungen: 20., 25., 26.1., 10., 11.2., 29., 30. und 31.3., Karten: 01 / 535 32 00 11, www.werk-x.at)