Geburt eines Naturparks
Vor 20 Jahren wurde der Naturparkverein gegründet, vor 15 Jahren wurde der Naturpark Kaunergrat offiziell unter Schutz gestellt. Beide Jubiläen werden heuer gefeiert.
Von Matthias Reichle
Fließ – „Thema Naturpark stößt auf Skepsis“ titelte die Tiroler Tageszeitung am 3. Juli 1996. Die erste Phase des Umweltprojekts wurde von Unterschriftenaktionen am Piller, Bürgermeistern, die drohten, aus dem Projekt auszusteigen, und kritischen Tönen in den Gemeinderäten begleitet. Es war keineswegs eine „g’mahte Wies’n“. Auch wenn die Fließer Trockenhänge zum Geburtshelfer werden sollten.
An „lange schwierige Diskussionen“ erinnert sich der Fließer Bürgermeister Hans-Peter Bock, der seit Beginn auch als Obmann des Naturparkvereins tätig ist. „Viele Bauern fürchteten die Einmischung in ihr Eigentum.“ Ein Komitee rund um den Obmann des Imster Regionalvereines IRI, Walter Vögele, und Elmar Huter aus Wenns hatte bei den Auftaktveranstaltungen alle Hände voll zu tun. Schlussendlich wäre man fast gescheitert.
Die ursprüngliche Idee war da schon etwas älter. Man plante, auch die Gemeinden rund um den Venet in einen Naturpark zusammenzufassen. Zum Schluss waren es neun Kommunen, die über die Bezirksgrenzen hinweg zusammengefunden haben: Arzl, Faggen, Fließ, Jerzens, Kauns, Kaunerberg, Kaunertal, St. Leonhard und Wenns.
Heuer feiert der Naturpark Kaunergrat gleich zwei Jubiläen – und die Kritiker sind nahezu verstummt. Zum einen ist da die Gründung des Naturparkvereins, der sich im Juli 1998 konstituiert hat, zum anderen die Verleihung des Prädikats „Naturpark“, die 2003 erfolgte.
„Am Anfang war man nur eine Initiative“, erinnert Geschäftsführer Ernst Partl, welcher der Organisation nun bereits seit über zehn Jahren vorsteht. Erst nachdem in den Fließer Trockenhängen ein Schutzgebiet ausgewiesen wurde, waren auch die Voraussetzungen für die offizielle Verleihung gegeben, ergänzt Bock.
Heuer gibt es eine Reihe von Veranstaltungen: Ein großes Fest wird am 27. Mai gefeiert. Aber auch intern will man den Anlass nutzen, um den Naturpark weiterzuentwickeln und das Leitbild für die kommenden zehn Jahre fortzuschreiben, betont Partl.
„Heute sehen 90 Prozent den Naturpark als Motor und Netzwerker für die Region“, erklärt er zur anfänglichen Skepsis, „der Naturpark ist kein Fremdkörper mehr.“ Dazu trage auch bei, dass „das Schutzgebiet eine Modellregion für Nachhaltigkeit geworden ist. Man nimmt auf die Natur Rücksicht, aber auch auf die Notwendigkeit, sich im ländlichen Raum entwickeln zu können. Wir sind eine Schnittstelle, ein Projektentwickler und Ideengeber.“ Jeder dritte Gast gibt den Naturpark inzwischen als Mitgrund für eine Buchung in der Region an.
Auch organisatorisch hat sich im Naturpark einiges getan. So wurde noch 1998 eine Geschäftsführerin angestellt – gestartet wurde mit Sigrid Hilger, später folgte Uli Totschnig. 2007 wurde das Naturparkhaus am Gachen Blick eröffnet – auch dies war mit zahlreichen Diskussionen verbunden. Jerzens bekam die bislang einzige Außenstelle mit einer Zirbenausstellung. Mit dem Steinbockzentrum und einer Ausstellung zu Wasser und Gletscher werden 2019 auch St. Leonhard und das Kaunertal Niederlassungen erhalten.
Inzwischen tragen die Neuen Mittelschulen Fließ und Wenns sowie die Kindergärten und Volksschulen Fließ und Kaunertal das Prädikat „Naturpark“ im Namen. In der kommenden Zeit sollen zwei Volksschulen und drei Kindergärten dazukommen. „Die Gemeinden haben ein großes Interesse an der Zusammenarbeit“, so Partl. Auch untereinander sei der Zusammenhalt in der Region gewachsen, betont Bock, der sich noch an lange Diskussionen darüber erinnert, wer im Logo vorne stehen darf: das Pitztal oder das Kaunertal. „Da hat sich einiges getan.“
Trotz der Feierlichkeiten gibt es heuer wieder ein volles Arbeitsprogramm. Viel dreht sich erneut um den Kern des Schutzgebiets, die Trockenrasen. So wird es unter anderem eine Exkursion der „European Dry Grassland Group“ ins Gebiet geben. Aber auch die Arbeit um die Schmetterlingsvielfalt wird fortgesetzt. Darüber hinaus sollen die Pläne zur Unterschutzstellung des Kaunergrats als Landschaftsschutzgebiet und zum Ausbau der Kaunergratrunde weiterverfolgt werden.