Zickenkrieg und Sängerinnenfest: „Maria Stuarda“ an der Wien
Wien (APA) - Es ist der historisch-literarische Archetyp des royalen Zickenkriegs: Der Showdown zwischen der englischen Königin Elisabeth I....
Wien (APA) - Es ist der historisch-literarische Archetyp des royalen Zickenkriegs: Der Showdown zwischen der englischen Königin Elisabeth I. und ihrer schottischen Kontrahentin Maria Stuart. Mit den Sopranistinnen Marlis Petersen und Alexandra Deshorties lieferte man gestern, Freitag, Abend ein erstaunlich spannendes Psychomatch im Theater an der Wien - einer ausnehmend faden Inszenierung zum Trotz.
Von Friedrich Schiller in Literatur und von Gaetano Donizetti in Musik gegossen, wird der Stoff in jeder Fassung von der Polarität der beiden Persönlichkeiten, Elisabeth und Maria, getragen - er steht und fällt mit deren Magnetismus. Und so hat auch diese „Maria Stuarda“ nur auf Basis zweier Zutaten funktioniert: Die wunderbare Marlis Petersen, als Maria der bewegende Flucht- und Zielpunkt des Stücks, und Alexandra Deshorties, im Haus bereits im Vorjahr als machtbewusste „Elisabetta“ in der Rossini-Version im Einsatz.
Es ist das einzig erwähnenswerte Verdienst von Regisseur Christof Loy, die Kraftfelder dieser Darstellerinnen auf seiner undankbaren, schrägen Rundbühne stimmig zueinander angeordnet zu haben. Das unerträglich laute Knarzen des drehenden Rondeaus just während der zartesten Arienmomente, seine hohe Rückwand, die Zuschauer im Parterre völlig von der ohnedies spartanischen Handlung abschirmt, der dümmlich-plakative Schluss, der uninspirierte Einsatz des Chores oder der abrupte Wechsel von historisierenden in zeitgenössische Kostüme sind dagegen bestenfalls als ungeschickt zu bezeichnen - die Holztäfelung im Stil eines 70er-Jahre-Kongresszentrums nur als unerklärlich.
Das Theater an der Wien will mit dieser „Maria Stuarda“ in vielfacher Hinsicht an Rossinis „Elisabetta“ aus dem Vorjahr anschließen - vordergründig vor allem mit den gleichen Protagonisten: Alexandra Deshorties in der Titelrolle, Norman Reinhardt als Graf Leicester, der in beiden Stücken als Elisabeths große Liebe auftritt und ihren unerbittlichen Hass wiederum auf seine Geliebte zieht, in Rossinis Fall Matilde, Maria Stuarts Tochter, bei Donizetti Maria Stuart selbst. Beide schließen in ihrer Rollengestaltung nahtlos an die „Elisabetta“ an - Deshorties als aufgewühlte, ihre Seelenpein durch Machtbewusstsein in Schach haltende Königin, Reinhardt als integrer, letztlich aber machtloser Macho, der seine Herrscherin gründlich missverstanden hat.
Beide Produktionen eint aber auch der Versuch, die inneren emotionalen Gefechte der Frauenfiguren aufzuschlüsseln und derart entblößt dem Belcanto preiszugeben. Der Verzicht auf eine lebhaftere Durchinszenierung des Plots ist vor diesem Hintergrund richtig - und Marlis Petersen die richtige Wahl. Sie besitzt Präsenz wie wenige, die Verzierungen ihres Soprans strahlen warm und geräumig, den gebrochenen Stolz der Stuart weiß sie sich am Ende so glaubhaft und auch so still von der Seele zu singen, dass davon nur das Knarzen der Drehbühne ungerührt bleibt.
Der Höhepunkt ist freilich das emotional explosive Zusammentreffen der Königinnen am Ende des ersten Aktes, redlich unterstützt vom Radio Symphonieorchester Wien unter Paolo Arrivabeni. Auf Temperament, Tiefenschärfe oder sonstige musikalische Höhepunkte aus dem Graben wartet man zwar vergeblich - doch Arrivabeni betätigt sich als zugewandter Liedbegleiter, der Sänger sowie Arnold Schoenberg Chor zwar nicht fordert, aber immerhin fördert. Und so wird in diesem bedauerlichen Missgeschick einer Inszenierung nicht nur ein lustvoller Zickenkrieg, sondern auch ein veritables Sängerinnenfest gefeiert.
(S E R V I C E - „Maria Stuarda“ von Gaetano Donizetti, Regie: Christof Loy, Dirigent: Paolo Arrivabeni. Ausstattung: Katrin Lea Tag. Mit Marlis Petersen, Alexandra Deshorties, Norman Reinhardt, Stefan Cerny. Weitere Vorstellungen am 21., 23., 26., 28. und 30. Jänner. Ö1 sendet am 27. Jänner um 19.30 eine Übertragung. Theater an der Wien. www.theater-wien.at)