„Moderner l‘uomo universale“: Raoul Kneucker wird 80

Wien (APA) - Als „modernen l‘uomo universale im Sinne des weltoffenen und gebildeten Renaissance-Menschen“ sehen die Herausgeber einer Fests...

Wien (APA) - Als „modernen l‘uomo universale im Sinne des weltoffenen und gebildeten Renaissance-Menschen“ sehen die Herausgeber einer Festschrift zum 80. Geburtstag am Dienstag (13. Februar) den langjährigen Sektionschefs im Wissenschaftsministerium, Raoul Kneucker. Dessen Lebenslauf spiegle eine „einzigartige grenz-und fächerübergreifende Dimension zwischen Wissenschaft, Religion, Verwaltung und Kunst“.

Kneucker wurde am 13. Februar 1938 in Wien in eine jüdisch-katholische Familie geboren. Sein Vater, ein Arzt, musste 1938 Österreich aufgrund des „Nürnberger Rassengesetzes“ verlassen und ließ sich nach abenteuerlicher Flucht nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA nieder. Die ursprünglich geplante Vereinigung der Familie in Shanghai scheiterte. Raoul Kneucker wuchs in Graz bei den mütterlichen Großeltern auf, studierte nach der Matura 1956 an der Uni Graz Rechtswissenschaften und wurde 1961 promoviert.

Es folgten weitere Studien: mit einem Fulbright-Stipendium 1958/59 an der Brandeis University in Massachusetts (USA) Politikwissenschaften, 1962 im Salzburg-Seminar auf Schloss Leopoldskron US-Verwaltungsrecht, 1964 Verwaltungswissenschaften an der Hochschule Speyer. Daneben führte er in dieser Zeit für den Alpenverein als Ski- und Tourenwart Jugendgruppen und studierte am Landeskonservatorium Graz Geige, Bratsche und Kammermusik.

Mit der Geschichte seiner Familie begann sich Kneucker erst spät auseinanderzusetzen. 1988 veröffentlichte er in Friedrich Stadlers Band „Vertriebene Vernunft“ die Geschichte seines Vaters („Über meinen Vater Alfred W. Kneucker“), in diesem Jahr sei „alles aufgebrochen, wie eine Eiterbeule. Vorher habe ich mich nicht gekümmert; es war niemand da, mit dem ich es hätte besprechen können“, erinnerte sich Kneucker.

Ab 1964 war Kneucker Uni-Assistent am Institut für Straf- und Verwaltungsrecht an der Universität Wien, anschließend von 1970 bis 1978 Generalsekretär der Rektorenkonferenz und danach bis 1989 Generalsekretär des Wissenschaftsfonds FWF. Ab 1990 war Kneucker dann in verschiedenen Positionen im Wissenschaftsministerium und prägte als Sektionschef für internationale Angelegenheiten und später auch für wissenschaftliche Forschung maßgeblich die österreichische Wissenschaftspolitik mit.

So geht für den ehemaligen Wissenschaftsminister Erhard Busek (ÖVP) „die europäische Qualität unseres Wissenschaftsbetriebs weitgehend auf Kneucker zurück“, wie er in der Festschrift „Europa, Demokratie, Ökumene, Kultur“schreibt. In dieser würdigen neben Busek auch die ehemaligen Minister Caspar Einem und Rudolf Scholten (beide SPÖ), Freunde, Gefährten und Zeitgenossen das Lebenswerk Kneuckers. Dieser habe im Ministerium „geradezu den Idealtypus eines josephinischen Beamten mit seiner rechtlichen und forschungspolitischen Expertise verkörpert“, schreiben die Herausgeber, darunter der Politikwissenschafter Anton Pelinka und der Zeithistoriker Friedrich Stadler.

2002 trat Kneucker in den Ruhestand, war aber weiter als Honorarprofessor für politische Wissenschaften an der Uni Innsbruck und für Recht der Religionen und Religionsgemeinschaften an der Uni Wien tätig. Neben seinem Hauptberuf arbeitete Kneucker an zahlreichen Unis und Bildungseinrichtungen als Lektor und entfaltete auch sonst eine vielfältige und rege Tätigkeit.

So war er Anfang der 1970er Jahre Gründungsmitglied der Österreichischen Gesellschaft und der Zeitschrift für Politikwissenschaft, wie der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer in der Festschrift erinnert, 1979 Mitglied des Expertenteams des Club of Rome für dessen Bildungsbericht sowie Vertreter der Wissenschaft in der Hörer- und Sehervertretung des ORF. Von 2006 bis 2012 war Kneucker juristischer Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich, von 1976 bis 1996 Rechtsberater der Waldorfschulbewegung in Österreich, zudem ist er Mitglied des Stiftungskuratoriums der Alban-Berg-Stiftung und hat zahlreiche Publikationen verfasst.

(SERVICE - „Europa, Demokratie, Ökumene, Kultur - Festschrift für Raoul Kneucker“, Hg: Gertraud Diem-Wille, Ludwig Nagl, Anton Pelinka, Friedrich Stadler, Böhlau Verlag, 352 S. ISBN 978-3-205-20664-4; Buchpräsentation: 16. Februar, 17.00 Uhr, Campus der Uni Wien, Hof 1, „Kapelle“, Spitalgasse 2-4, 1090 Wien)