Deutsche Koalition - Internationale Pressestimmen

Berlin (APA/dpa) - Die internationalen Zeitungen schreiben am Donnerstag zur Einigung auf eine Große Koalition in Deutschland:...

Berlin (APA/dpa) - Die internationalen Zeitungen schreiben am Donnerstag zur Einigung auf eine Große Koalition in Deutschland:

„Times“ (London):

„Die Koalition könnte möglicherweise nicht vier Jahre bestehen und Angela Merkel wird nicht die dominante europäische Figur sein, die sie in ihren ersten drei Amtszeiten war. Britische Minister, die darauf hoffen, diese Schwäche in den Brexit-Gesprächen auszunutzen, werden wahrscheinlich enttäuscht. Die Dispute, die die Koalitionsgespräche in die Länge gezogen haben, betrafen vor allem die deutsche Innenpolitik, nicht Europa. Martin Schulz wird nachgesagt, eine persönliche Antipathie gegenüber seinem (künftigen) britischen Gegenspieler (Außenminister) Boris Johnson zu haben... Und Merkels Führungsrolle in Europa ist inzwischen an den französischen Präsidenten Emmanuel Macron gegangen.“

„La Repubblica“ (Rom):

„Eine pro-europäische Koalition nimmt in Deutschland Gestalt an (...). Die Geburt einer deutschen Regierung, die endlich ohne Argwohn nach Brüssel schaut, ja eher mit Enthusiasmus, und die einen Sozialdemokraten als Finanzminister einsetzt, ist sicher eine gute Nachricht für Europa. Und es ist (...) auch eine gute Nachricht für Italien - oder zumindest für den Teil des Landes, der seine Zukunft in der EU sieht. Aber es wäre naiv zu denken, dass die historische Wende in Berlin uns das Leben leichter macht. Im Gegenteil. (...) Italien ist nun aufgerufen, eine zu lange aufgeschobene Herausforderung anzugehen. Denn bis jetzt hatte das Hinauszögern Italiens, seine Verschuldung abzubauen, das Bankensystem zu sanieren und Wettbewerbsfähigkeit herzustellen im deutschen Misstrauen ein Alibi.“

„Corriere della Sera“ (Mailand):

„Merkel verliert, weil sei einen hohen Preis für ihr viertes Mandat bezahlt. Dass das Finanzministerium an die SPD geht, bedeutet nicht, dass Deutschland in Zukunft Abstriche mit Blick auf die europäischen Regeln macht. Aber es ist ein Zeichen einer Wende. Vielleicht ist es das, was die Kanzlerin wollte. Aber in den Augen vieler ist es ein totaler Absturz. Schulz gewinnt aus gegenteiligen Gründen, aber er muss gehen und kann die SPD nicht weiter führen. Es endet eine Epoche, zumindest auf symbolischer Ebene. Und auch auf personeller: Vom strengen und zerfurchten Gesicht von (Finanzminister) Wolfgang Schäuble zum jugendlicheren und pausbackigen von Olaf Scholz.“

„La Vanguardia“ (Barcelona):

„Europa hat einen Grund, die neue Große Koalition zu feiern: Sie beendet das deutsche Machtvakuum, das erfolgreich durch den Dynamismus Macrons kompensiert wurde, und gibt der deutschen Wirtschaftspolitik eine neue Fahrtrichtung. Das Finanzressort fällt in die Hände der SPD, wodurch sich die strengen Sparkriterien des konservativen Schäuble zugunsten einer Geldpolitik ändern werden, die die europäischen Staaten, die Probleme haben, begünstigt - und die ja auch von Macron vertreten wird. Die einzige Dissonanz bleibt die Opposition, die in den Händen der euroskeptischen Alternative für Deutschland (AfD) liegt.“

„El Mundo“ (Madrid):

„Die Große Koalition bedeutet nicht nur ein Ende des Geduldsspiels, das der Ausgang der Wahl vom 24. September nach sich gezogen hatte, sondern sie ist auch ein guter Grundstein, um die europäische Agenda neu zu beleben. Denn die wartete auf ein Ende der Blockade in Berlin, um Kernthemen wie die Bankenunion, die Harmonisierung des Asylrechts und den Haushaltsplan anzugehen. Merkel hat einmal mehr ein Beispiel ihrer Führungsqualitäten und Weitsicht gegeben. Deutschland gewinnt. Europa auch.“

„El Pais“ (Madrid):

„Deutschland hat es geschafft, eine Koalitionsregierung zwischen Mitte-Rechts und Mitte-Links zu bilden, mit enormen Schwierigkeiten und ‚schmerzhaften Zugeständnissen‘ (in den Worten von Angela Merkel). Diese wird aber nicht nur die Stabilität und den Wohlstand des Landes garantieren, sondern auch den Weg zu den Reformen ebnen, die die Europäische Union braucht. Die Parteien wissen, dass sie bei den nächsten Wahlen die Rechnung für diese neue Koexistenz von vier Jahren präsentiert bekommen könnten, aber sie haben sich dennoch entschieden, das Beste für ihr Land zu tun.“