Krebs - Streit um Kassenhonorare gefährdet auch Karzinom-Vorsorge 1

Wien (APA) - Kurz nach dem Welt-Krebstag des Jahres 2018 (4. Februar) gefährdet in Wien ein Streit zwischen niedergelassenen Chirurgen und d...

Wien (APA) - Kurz nach dem Welt-Krebstag des Jahres 2018 (4. Februar) gefährdet in Wien ein Streit zwischen niedergelassenen Chirurgen und der Gebietskrankenkasse auch die Vorsorge-Darmspiegelung, zu der jeder Mensch ab 50 zumindest zur Verhinderung oder Früherkennung von Darmkrebs zumindest alle zehn Jahre gehen sollte. Die Koloskopie auf Kassenkosten könnte auch insgesamt Gefahr sein.

Der Hintergrund: In Österreich wird jedes Jahr bei rund 5.000 Menschen die Diagnose Darmkrebs gestellt. Es gibt rund 2.500 Todesfälle. Durch die wohl genaueste Krebs-Vorsorgeuntersuchung - die Darmspiegelung - könnten die meisten Erkrankungen verhindert oder im Frühstadium geheilt werden. Österreichweit werden jedes Jahr rund 300.000 Koloskopien durchgeführt. Laut dem Wiener Chirurgen-Fachgruppenobmann Anton Weiser gehen aber nur 16 Prozent der für die Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchung infrage kommenden Personen zum Arzt. Ein von Ärzten seit vielen Jahren gefordertes österreichweites Koloskopie-Programm fehlt.

In diese Situation platzt der Streit zwischen den niedergelassenen Chirurgen mit auf Koloskopien spezialisierten Ordinationen und der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK). „Die Gebietskrankenkasse fordert von niedergelassenen Chirurgen hohe Honorarsummen für bis zu drei Jahre zurück. Wenn das durchgeht, müssen wir wohl unsere Kassenverträge zurücklegen“, sagte Weiser. Laut seinen Angaben sind auf diesem Gebiet in der Bundeshauptstadt 34 Chirurgen und 15 Internisten (Gastroenterologen), zehn davon mit Kassenvertrag, tätig. In diesem Fall wären die Koloskopien beim niedergelassenen Facharzt nur noch auf Privatbasis mit teilweiser Rückverrechnung durch die Krankenkasse möglich.

„Die Koloskopie wird seit vielen Jahren auf Kassenkosten durchgeführt und hat auch funktioniert“, sagte WGKK-Generaldirektor Andreas Obermaier dazu gegenüber der APA. Nach dem Bekanntwerden von „Ungereimtheiten“ bei der Abrechnung und von den Chirurgen verlangten Zuzahlungen durch die Patienten „haben wir uns das näher angeschaut.“ .

Die WGKK wurde laut ihren Angaben sozusagen fündig. Laut Obermaier hätten die Chirurgen für die Sedierung mit dem offenbar am besten dafür geeigneten Mittel (Propofol) bis zu 60 bis 120 Euro verlangt. Was aber bei einigen der Chirurgen noch hinzu gekommen wäre: Verrechnet wurden nicht nur die eigentliche Dickdarmuntersuchung mit dem Koloskop, sondern zusätzlich auch eine Enddarm-Spiegelung (Rektoskopie). Weiters wären zu viele zusätzliche Regiebeiträge mit der Krankenkasse abgerechnet worden.

Obermaier verglich das mit einem Bahnticket: „Wenn ich eine Fahrkarte bis nach Salzburg kaufe, ist die Fahrt bis nach St. Pölten bereits inbegriffen.“ Es sei also undenkbar, wenn einfach mehr Teilleistungen verrechnet würden.

Von Weiser kommt hier vehementer Widerspruch: „Die Möglichkeit der Abrechnung von Koloskopie und Rektoskopie geht auf eine mündliche Vereinbarung mit der Wiener Gebietskrankenkasse zurück, die zehn Jahre alt ist. Das hat funktioniert.“ Die Frage der Verrechnung der zusätzlich zur Koloskopie durchgeführten Rektoskopie betreffe elf Ordinationen in Wien.

Dahinter steckt eine Frage der Finanzierung. „Für eine normale im Verdachtsfall vom Arzt verordnete Koloskopie plus Rektoskopie kann ich der Wiener Gebietskrankenkasse insgesamt rund 207 Euro verrechnen. Dazu kommen noch fünf Euro für eine intravenöse Injektion und zehn Euro für den Befundbericht. Wir haben drei unabhängige betriebswirtschaftliche Gutachten, mit einer Kostenkalkulation von etwa 380 Euro für eine Koloskopie. Fällt die Verrechnungsmöglichkeit der Rektoskopie weg, sind das allein schon um 33,50 Euro weniger“, sagte Weiser.

Die Finanzierungssituation bei den Koloskopien über die Kassenhonorare ist in Österreich extrem kompliziert und könnte als weiteres gutes Beispiel für die vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger unter Alexander Biach in Gang gebrachte Vereinheitlichung von Leistungspositionen der Krankenkassen dienen. Es gibt unterschiedliche Detailregelungen und Kassenhonorare bezüglich diagnostischer und Vorsorge-Darmspiegelungen. Jede der neun Gebietskrankenkassen hat mit den Fachärzten andere Honorare ausgemacht. Auch die bundesweiten „kleinen“ Kassen haben teilweise unterschiedliche Tarife.

Beim Eggenburger Gastro-Update wurden vergangenes Jahr die entsprechenden Zahlen präsentiert. Für eine Koloskopie zur diagnostischen Abklärung allein konnte den Gebietskrankenkassen von den niedergelassenen Fachärzten verrechnet werden: in Wien 141,37 Euro, in Niederösterreich 174 Euro, in Oberösterreich 130,39 Euro, in Salzburg 230,85 Euro, in Tirol 180,56 Euro, in Vorarlberg 164,05 Euro, in Kärnten 155,31 Euro, in der Steiermark 191,13 Euro und im Burgenland 146 Euro.

Für die Vorsorgekoloskopie allein ergibt eine Umrechnung der jeweils mit den Krankenkassen ausgehandelten Punktewerte für die Vornahme einer Untersuchung (ein Punkt: 0,67 Euro) folgende Werte: Wien 142,29 Euro, Niederösterreich 108,54 Euro, Oberösterreich 130,91 Euro, Salzburg 148,08 Euro, Tirol 107,87 Euro, Vorarlberg 175,53 Euro, Kärnten 131,74 Euro, Steiermark 128,06 Euro und im Burgenland 138,69 Euro.