Andrea Nahles - Resolute Politikerin mit Hang zu deftiger Wortwahl
Berlin (APA/AFP) - Fast scheint es so, als müsste sich Andrea Nahles selbst noch Mut machen, um die Herkulesaufgabe der SPD-Chefin zu stemme...
Berlin (APA/AFP) - Fast scheint es so, als müsste sich Andrea Nahles selbst noch Mut machen, um die Herkulesaufgabe der SPD-Chefin zu stemmen: „Da bin ich jetzt auch kein Frischling“, konstatiert die 47- jährige deutsche Politikerin am späten Mittwochabend im ZDF. Sie sei Ministerin gewesen und bekleide jetzt den Fraktionsvorsitz. „Ich kann das“, fügt sie mit Blick auf den Parteivorsitz hinzu.
Wird sie gewählt, ist sie die erste Frau auf dem Chefposten der SPD. Schon die Übernahme des Fraktionsvorsitzes kurz nach der deutschen Bundestagswahl war für die frühere Ministerin ein Karrieresprung. Mit ihrer energischen Rede beim Bonner Parteitag, bei der sie leidenschaftlich für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen warb, empfahl sie sich dann endgültig für höhere Aufgaben. Nun tritt Nahles unerwartet schnell die Nachfolge des glücklosen Parteichefs Martin Schulz an, der es nicht vermochte, einer verunsicherten SPD Orientierung zu geben.
Die Mutter einer siebenjährigen Tochter gehört schon länger zu den Hoffnungsträgern in der SPD, doch die resolute Politikerin irritiert zuweilen durch deftige Formulierungen: Nach ihrer Wahl zur Fraktionschefin drohte sie der damals erwarteten Jamaika-Koalition: „Ab morgen kriegen sie in die Fresse.“ Und beim Bonner Parteitag im Jänner macht sie der Union klar, dass sie für die Neuauflage der „GroKo“ einen hohen Preis werde zahlen müssen. „Bätschi - das wird ganz schön teuer.“
Doch über Parteigrenzen hinweg wird auch die Verbindlichkeit der früheren Arbeitsministerin bei Verhandlungen gelobt. Sie kann „klar auftreten mit den unterschiedlichsten Wortwahlen“, bescheinigt ihr Martin Schulz. Nahles könne „Hammer und Amboss“ zugleich sein, konstatiert der scheidende Parteichef. „Sie kann einen Schlag ausführen, aber sie fängt ihn auch wieder auf.“
Nahles begann ihre Karriere bei den Jusos, denen sie von 1995 bis 1999 als Bundesvorsitzende vorstand. In diesem Amt erwarb sie sich schnell den Ruf einer geschickten Fädenzieherin: Sie war maßgeblich beteiligt am Sturz des SPD-Vorsitzenden Rudolf Scharping, der auf dem Mannheimer Parteitag 1995 von Oskar Lafontaine abgelöst wurde.
Nach ihrer Wahl in den Bundestag 1998 setzte sich die Frau aus der Eifel in der rot-grünen Koalition unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) für ein linkes Profil ein. Bei der Wahl 2002 verpasste sie den Wiedereinzug ins Parlament, aber 2005 kehrte die studierte Literaturwissenschaftlerin 2005 als Abgeordnete zurück und beförderte erneut den Sturz eines mächtigen Mannes.
SPD-Chef Franz Müntefering wollte seinen Vertrauten Kajo Wasserhövel als Generalsekretär installieren. Nahles wagte sich als Gegenkandidatin in eine Kampfabstimmung und setzte sich durch, Müntefering zog sich daraufhin vom Parteivorsitz zurück. Angesichts von Kritik und Schmähungen als „Münte-Meuchlerin“ verzichtete Nahles auf den Posten. Heute bezeichnet es die resolute Politikerin als ihren größten Fehler, Müntefering „unbeabsichtigt“ gestürzt zu haben.
Nach der SPD-Wahlniederlage 2009 wurde sie dann doch Generalsekretärin - und zwar an der Seite des damals neu gewählten Parteichefs Sigmar Gabriel. Zwar verlief die Bundestagswahl 2013 für die Sozialdemokraten erneut enttäuschend, doch das wurde eher dem damaligen SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück als Nahles angelastet.
In der Großen Koalition übernahm sie das Amt der Ministerin für Arbeit und Soziales - und drückte der schwarz-roten Regierungspolitik ihren Stempel auf. Verbesserungen bei der Rente und die Einführung des gesetzliches Mindestlohn sind Pfunde, mit denen die SPD noch heute wuchern kann - auch wenn sie letztlich nicht davon profitierte.
Mit dem nun erwarteten Karrieresprung der ehrgeizigen Sozialdemokratin wird sich auch die Frage stellen, ob Nahles Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beerben will. Über die Kanzlerkandidatur will sich Nahles derzeit aber noch nicht den Kopf zerbrechen. Mit Blick auf die mageren Umfragewerte sagt sie: „Es geht bei 17 Prozent jetzt erstmal um was ganz anderes.“