Der Weg der „Füchse“ - Düsseldorf steht vor heikler Raubkunst-Frage

Düsseldorf (APA/dpa) - Als Ronald Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses, kürzlich bei einer Veranstaltung in Berlin Deutschland weg...

Düsseldorf (APA/dpa) - Als Ronald Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses, kürzlich bei einer Veranstaltung in Berlin Deutschland wegen seines Umgangs mit NS-Raubkunst scharf kritisierte, saß auch Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel im Publikum. Geisel dürfte sich persönlich angesprochen gefühlt haben.

Der US-Unternehmer Lauder kritisierte die „große Kluft“ zwischen Ankündigungen und Taten bei der Restitution von Raubkunst. Die Schuld trügen alle zusammen: „Regierungen, Museen, Sammler, Händler, die stumme Öffentlichkeit und sogar lokale Politiker wie beispielsweise Bürgermeister, die lang geplante Ausstellungen aus politischen Vorteilen oder aus anderen Gründen absagen.“ Das war klar auf Geisel gemünzt. Die Stadt hatte Ende 2017 überraschend eine für das Frühjahr geplante Ausstellung über den von den Nazis verfolgten Düsseldorfer Galeristen Max Stern erst abgesagt und dann auf später verschoben. Die von kommunikativen Ungeschicktheiten begleitete Verschiebung entwickelte sich zu einem internationalen Eklat.

Zwar hat sich Düsseldorf bemüht, das zerschlagene Porzellan zu kitten. So soll im Herbst zunächst ein internationales Symposium zu Max Stern auch Fragen der Restitution behandeln und dann in eine Ausstellung münden. Doch Geisel musste auch persönlich in Gesprächen mit jüdischen Organisationen am Rande einer länger geplanten USA-Reise die Wogen um die Max-Stern-Ausstellung glätten.

Nun steht die Stadt vor einem spektakulären neuen Fall - ein millionenschweres Bild von Franz Marc. Die „Füchse“ (1913) gehören zu den Spitzenwerken der Sammlung im städtischen Museum Kunstpalast. Der Wert des signalroten kubistischen Gemäldes wird auf bis zu 14 Mio. Euro geschätzt. Auch die „Füchse“ waren Thema bei Geisels Gesprächen in den USA - ein heißes Eisen.

Schon 2014/15 traten zwei Erbinnen des ehemaligen jüdischen Besitzers Kurt Grawi an den Kunstpalast und die Stadt heran. Nun hat Geisel die „Füchse“ zur Chefsache gemacht. „Es gibt eine Reihe offener Punkte bei der Provenienzforschung“, sagt der Oberbürgermeister. „Ich persönlich habe den Willen, dass wir dieses Thema lösen.“

Der Kaufmann Kurt Grawi (1887-1944) hatte die „Füchse“ 1928 erworben. Grawi wurde im November 1938 für mehrere Wochen ins KZ Sachsenhausen verschleppt. Er emigrierte im April 1939 mittellos mit 10 Reichsmark nach Chile. Seine Familie folgte ihm kurz darauf, nachdem seine Ehefrau den restlichen Besitz in Berlin verkauft hatte, um Ausreise und Zwangsabgaben finanzieren zu können.

Nach Mitteilung der Erben wechselten die „Füchse“ um 1938 noch in Nazideutschland „durch Zwangsverkauf unter Wert“ den Besitzer. Das Gemälde tauchte erstmals 1940 in den USA auf, wo es über die Galerie Karl Nierendorf weiterverkauft wurde. 1961 erwarb der Unternehmer Helmut Horten die „Füchse“ und schenkte sie der Stadt Düsseldorf.

Wie so oft ist die Spur der Kunst bis 1945 auch in diesem Fall nicht lückenlos zu klären. Belege dafür, dass Grawi das Bild freiwillig und zu einem angemessenen Kaufpreis veräußert hat, gibt es jedenfalls nicht. Wie und über wen das Bild in die USA gelangte, ist unklar. Grawis Ehefrau Else habe nach dem Krieg zwar Rückerstattung für ihre erlittenen Verluste beantragt, ein Werk von Franz Marc habe sie aber nicht genannt, so die Position der Stadt Düsseldorf.

Im April 2017 wandte sich die Leiterin des „Holocaust Claims Processing Office“ (HCPO), Anna Rubin, in einem Brief an Geisel und argumentierte, dass Grawi das Marc-Gemälde „als Resultat der Verfolgung durch die Nazis verloren“ habe. Die Behörde des Bundesstaates New York unterstützt Überlebende des Holocaust und ihre Erben kostenlos bei Restitutionsverfahren.

Eine Lösung im Tauziehen um das Millionen-Gemälde ist auch nach drei Jahren nicht in Sicht. Inzwischen ist eine der beiden Erbinnen, Hildegard Breit, eine Schwiegertochter Grawis, in Chile gestorben. Die zweite Schwiegertochter, Ingeburg Breit, ist 88 Jahre alt. „Wir hoffen auf späte Gerechtigkeit, wie viele andere auch“, sagt die in Hamburg lebende Breit.