Historiker: „Trump hat Palästinensern Gefallen getan“

Wien (APA) - Laut dem US-amerikanisch-palästinensischen Historiker Rashid Khalidi hatte die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, die B...

Wien (APA) - Laut dem US-amerikanisch-palästinensischen Historiker Rashid Khalidi hatte die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, die Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, für die Palästinenser auch eine positive Seite. Es habe den „Mythos“ von den USA als einem unabhängigen Vermittler entzaubert. Nun müssten aber die Europäer in die Bresche springen, sagte Khalidi am Donnerstag in Wien im APA-Interview.

Der Glaube, dass die USA ein „geeigneter Vermittler oder Unterhändler“ seien, „war immer schon falsch“, sagte Khalidi im Vorfeld eines vom Bruno-Kreisky-Forum organisierten Vortrags an der Diplomatischen Akademie. Trump habe den Palästinensern „einen Gefallen getan“, indem er im zentralen Streitpunkt Jerusalem so eindeutig Stellung bezogen habe. Von nun an sei klar, wo der Platz der USA bei zukünftigen Verhandlungen sei: An der Seite Israels, und nicht „in der Mitte des Verhandlungstisches“. Diese neue Situation sei „sehr positiv“, ebenso wie die gestiegene Aufmerksamkeit für die Anliegen der Palästinenser auf internationaler Ebene. Gleichzeitig liege es nun aber auch an anderen, „voranzugehen“.

Der Inhaber des renommierten Edward-Said-Lehrstuhls für moderne arabische Studien an der Columbia University denkt dabei an die Europäer, die bisher „faul“ gewesen sein, aber sehr genau wüssten, was in Jerusalem „los sei“. Khalidi verweist dabei auf einen vergangene Woche vom britischen Guardian geleakten EU-Bericht über die israelische Siedlungstätigkeit in Ostjerusalem. „Einer der besten Berichte über das Thema - und das nicht von irgendwelchen radikalen, fanatischen Terroristen, sondern von Diplomaten aus 28 Ländern.“ Die Analysefähigkeit sei also gegeben, jetzt gehe es darum, etwas „dagegen zu tun“, meinte Khalidi, der als Vertrauter des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obamas gilt.

„Die USA haben sich selbst ins Bein geschossen“, der Ball liege nun bei der EU. Nicht nur, weil Entwicklungen im Nahen und Mittleren Osten Europa direkt betreffen würden, sondern auch, weil Europa das Problem geschaffen habe. Der Zionismus und die Gründung des Staates Israel sei eine „Reaktion auf den europäischen Antisemitismus“ und auf „unerträgliches Leiden“ gewesen. Europa müsse sich seiner Verantwortung stellen. Nur fehlen laut Khalidi auf europäischer Ebene die politischen Führungspersönlichkeiten, die die Zügel in die Hand nehmen könnten.

Bruno Kreisky, der die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) 1980 als erster westlicher Staatsmann anerkannte, sei eine solche Führungspersönlichkeit gewesen. „Kreisky war ein sehr weiser Mann. Ich denke, er hat alle Standpunkte im Konflikt verstanden“, sagte Khalidi. Man könne Kreiskys Rolle nicht genug würdigen, denn er habe nicht nur analysiert, sondern auch versucht, „etwas zu tun“, nämlich „die Konfliktparteien zusammenzubringen und zu vermitteln“. „Eine Figur, wie er sie war, fehlt uns derzeit“, meinte Khalidi. „Jemand mit einem weiten Horizont, der die Notwendigkeit fühlt, zu handeln.“