Roman der Enge und der Zwänge: Margit Schreiners „Kein Platz mehr“

Wien (APA) - Es ist mehr ein Aufschrei als ein Seufzer: Überall häufen sich die Dinge an, allerorts rücken einem die Mitmenschen auf die Pel...

Wien (APA) - Es ist mehr ein Aufschrei als ein Seufzer: Überall häufen sich die Dinge an, allerorts rücken einem die Mitmenschen auf die Pelle. Wir engen uns den Lebensraum selber ein. Und die schlimmsten Messies sind die Schriftsteller. „Kein Platz mehr“, konstatiert Margit Schreiner in ihrem neuen Roman, in dem sie satirisch und selbstironisch mit sich und ihren Zeitgenossen ins Gericht geht.

Es wirkt, als hätte Schreiner, die vor zwei Jahren bei der Zuerkennung des Anton-Wildgans-Preises treffend als „eine kluge Chronistin unserer Alltagskultur, die sie nuanciert und auch befreiend komisch literarisch verarbeitet“, gewürdigt wurde, kaum etwas erfinden müssen. Ihre Ich-Erzählerin ist Schriftstellerin wie sie, ihre Freunde haben viel Lebenserfahrung und in ihrem Leben viel geschaffen. Aber ob sie über eine kleine Wohnung oder gar über ein ganzes Schloss verfügen: Alle haben zu wenig Platz!

„Allein die Dinge, die sich im Laufe eines Lebens ansammeln! Auch wenn man, so wie ich, ein paar Dutzend Mal umgezogen ist und dabei jeweils das meiste zurückgelassen hat. Es sammeln sich Bücher, Papiere, Unterlagen, Steuererklärungen, Kontoauszüge, Versicherungspolicen und so weiter an. Abgesehen natürlich von der Kleidung, dem Hausrat, den Bildern, Fotos, Schmuck, Kerzen, Zeitungsartikeln, Lampen, Möbeln et cetera.“ So hebt die 64-Jährige an und konstatiert ein seltsames Phänomen: Je mehr man räumt und aussortiert, desto mehr taucht auch auf. Am Ende ist der Berg größer statt kleiner geworden.

„Kein Platz mehr“ ist aber nicht nur die Konstatierung eines zivilisatorischen Notstands, sondern auch die Auseinandersetzung mit den heutigen Rahmenbedingungen einer schriftstellerischen Existenz. Hat man ein Leben lang ein Buch nach dem anderen geschrieben, ein Projekt nach dem anderen verfolgt, so kann man sich dennoch nicht entspannt zurücklehnen, sondern muss seine eigene Marginalisierung konstatieren. „Alle Schriftsteller zwischen fünfzig und sechzig Jahren, die ich kenne, sprechen davon, endgültig mit dem Schreiben aufhören zu wollen. Ich auch. Viele haben als junge Schriftsteller relativ erfolgreich gestartet, galten als innovativ und radikal, und mussten dann im Laufe ihres Alterungsprozesses ein ständiges Abnehmen ihrer schriftstellerischen Präsenz auf dem Literaturmarkt beobachten.“

Der Ausweg: Man gründet eine Schreibakademie und gibt dort gut bezahlt seine Erfahrung weiter. Der Ausweg entpuppt sich als Irrweg: Schon nach wenigen Tagen plagt den Lehrenden das Gefühl, von seinen jungen, begabten und hoch motivierten Schülern mit Leichtigkeit an die Wand geschrieben zu werden. In immer neuen Variationen wird das grundlegende Dilemma der zunehmenden Einschränkung der Handlungsfreiheit ausgebreitet, Ausflüge nach Italien oder Japan, gedankliche Abstecher auf die Bahamas oder in den Himalaya weiten dabei wenigstens den Horizont. Ein beschaulicher Segeltörn nach Kroatien gerät beinahe zur tödlichen Schiffskatastrophe. Doch auch zu Hause kann sich buchstäblich alles gegen einen verschwören.

Margit Schreiner hat eine gute Beobachtungsgabe und versteht es, ihre Befunde mit trockenem Humor so zuzuspitzen, dass sich über die dabei offengelegten Manien und Phobien fast immer befreiend lachen lässt. Bis man schließlich nach abgeschlossener Lektüre ihr Buch ins Regal stellen möchte. Und verärgert konstatieren muss: „Kein Platz mehr“.

(S E R V I C E - Margit Schreiner: „Kein Platz mehr“, Schöffling & Co, 176 Seiten, 20,60 Euro; Lesungen u.a. am 15.2., 19.30 Uhr, im Adalbert-Stifter-Institut, Linz, und am 20.2., 19 Uhr, in der Österreichischen Gesellschaft für Literatur, Wien 1, Herrengasse 5, www.margitschreiner.com )