Bitterböse und urkomisch: Jelineks „Bunbury“-Adaption von Oscar Wilde
Klagenfurt (APA) - Eindeutig zweideutig ist Elfriede Jelineks Nachdichtung von Oscar Wildes Komödie „Ernst ist das Leben (Bunbury)“, die bei...
Klagenfurt (APA) - Eindeutig zweideutig ist Elfriede Jelineks Nachdichtung von Oscar Wildes Komödie „Ernst ist das Leben (Bunbury)“, die bei der Premiere am Donnerstag im Stadttheater Klagenfurt zu einem temporeichen Spaß geriet. In der Regie Michael Sturmingers begeisterte eine starke Frauen-“Mannschaft“, die sämtliche Figuren verkörperte und so den spielerischen Umgang mit Rollen und Bildern auf die Spitze trieb.
Da könnten sich die TV-Heldinnen der „Vorstadtweiber“ noch etwas abschauen in Sachen Sexbesessenheit und Banalität: Nur die Lust und der Spaß bestimmen das Leben der feinen viktorianischen Gesellschaft Englands. „Wir leben ja in dermaßen oberflächlichen Zeiten“, seufzt die versnobte Lady Bracknell einmal, ohne zu ahnen, wie recht sie hat. Ihr Neffe Algernon geht inzwischen seinem besten Freund John an die Wäsche - die zwei Männer sind einander in einer homoerotischen Beziehung zugetan und pflegen beide ein Doppelleben.
Um gesellschaftlichen Zwängen zu entfliehen, erfindet Algernon einen kranken Freund namens Bunbury, wenn es ihn von der Stadt aufs Land zieht. Und John verwandelt sich in seinen fiktiven Bruder Ernst, wenn er in die Stadt will. Den „Ernst des Lebens“ nehmen die beiden nicht wörtlich: „Schönheit ist wichtiger als Wahrheit“. Kompliziert wird es erst, als sich die beiden in zwei Frauen verlieben, die das Lügengerüst aus falschen Identitäten und Gefühlen zum Einsturz bringen.
Wie das geschieht, ist in der Klagenfurter Inszenierung (in Koproduktion mit den Sommerspielen Perchtoldsdorf, Intendant Michael Sturminger) so spritzig und durchgeknallt, dass es eine Freude ist. Absichtlich missverständliches Gerede, erotisiertes Geblödel und kalauernder Slapstick machen Jelineks Wortwitz aus, der nicht nur unterhält, sondern auch entlarvt. Wenn sich die Figuren in ihren Sprachkaskaden verheddern, mit ihren Floskeln dahinstolpern, wird der Klamauk-Abend zum doppelbödigen Gesellschaftsporträt, das sich auch auf ein Heute anwenden lässt.
Durchwegs großartige Darstellerinnen formulieren die beißende Gesellschaftskritik mit sichtlichem Genuss: Allen voran verkörpern Katrin Röver (John) und Elzemarieke de Vos (Algernon) die beiden jungen Lebemänner, trinken, rauchen, balgen sich wie rollige Katzen - und haben typisch männliche Gesten und Haltungen glaubwürdig verinnerlicht. Breitbeinig sitzen sie da oder balzen um Gwendolin (köstlich einfältig: Miriam Fussenegger) und Cecily (hinreißend natürlich: Maresi Riegner). Auch die Bühnenpräsenz von Michou Friesz als Tante mit Turban, die sich ihre Moral zurechtbiegt, wie es gerade passt, und die kaum zu erkennende Maria Hofstätter als Pastor zwischen Versuchung und Verpflichtung machen den geistreichen Unsinn zum Erlebnis. Marie-Christine Friedrich als verklemmte Gouvernante und Katharina Schmölzer als stoischer Butler vervollständigen ein Ensemble, dem zuzusehen großen Spaß macht.
Die Stadt- und Land-Szenerie bewerkstelligt die Drehbühne mit einem modernistisch-coolen und einem grünen Garten-Ambiente (Paul Sturminger, Manuel Biedermann), die schrillen Kostüme zwischen Flower Power und Hollywood-Kitsch (Renate Martin) bieten viel zum Schauen und Lachen.
Mit Witz und Liebe zum Detail setzt Sturminger die pikante Komödie in Szene, mit der Oscar Wilde kaum verschlüsselt sein eigenes Doppelleben als Homosexueller thematisierte. Nicht nur der Klaps auf den Hintern, den der Regisseur mehrfach einsetzt, verweist in Zeiten von #MeToo& Co auf die Gegenwart. Auch das Gruppenfoto, das zum Schluss geschossen wird, erinnert an eine oberflächlich-selbstgefällige Seitenblicke-Gesellschaft. - Bei der Premiere gab ?s freundlichen Applaus, aber auch leere Plätze nach der Pause.
(S E R V I C E - „Ernst ist das Leben (Bunbury)“, The Importance of Being Earnest, von Oscar Wilde/Deutsche Fassung von Elfriede Jelinek nach einer Übersetzung von Karin Rausch, Koproduktion des Stadttheaters Klagenfurt mit den Sommerspielen Perchtoldsdorf. Regie: Michael Sturminger.Mit: Katrin Röver, Elzemarieke de Vos, Maria Hofstätter, Katharina Schmölzer, Michou Friesz, Miriam Fussenegger, Maresi Riegner, Marie-Christine Friedrich. Bühne und Projektionen: Paul Sturminger, Manuel Biedermann. Kostüme: Renate Martin. Dramaturgie: Angelika Messner. Weitere Termine: 14., 16., 17., 20.,22., 24., 28. Februar, 2., 3., 9. März im Stadttheater Klagenfurt, 27. Juni bis 28. Juli bei den Sommerspielen Perchtoldsdorf, Infos und Karten: www.stadttheater-klagenfurt.at, www.sommerspiele-perchtoldsdorf.at)