Deutsche Koalition - Außenminister Gabriel übt offene Kritik an SPD
Berlin (APA/AFP/Reuters) - Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel hat überraschend offene Kritik an der SPD-Führung geübt. In einem Inter...
Berlin (APA/AFP/Reuters) - Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel hat überraschend offene Kritik an der SPD-Führung geübt. In einem Interview mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Freitagsausgaben) beklagte er „mangelnde Wertschätzung meiner Arbeit“. Dies bezog sich offenbar darauf, dass der scheidende SPD-Chef Martin Schulz angekündigt hatte, in einer Großen Koalition selbst Außenminister werden zu wollen.
„Ich habe das Amt des Außenministers gern und in den Augen der Bevölkerung offenbar auch ganz gut und erfolgreich gemacht“, sagte Gabriel. „Und da ist es ja klar, dass ich bedauere, dass diese öffentliche Wertschätzung meiner Arbeit der neuen SPD-Führung herzlich egal war.“
Er betonte, dass zwar jede neue SPD-Führung das Recht auf die Neubesetzung von Ministerposten habe, denn Politiker seien „Gewählte und keine Erwählten“. „Was bleibt, ist eigentlich nur das Bedauern darüber, wie respektlos bei uns in der SPD der Umgang miteinander geworden ist und wie wenig ein gegebenes Wort noch zählt“, fügte Gabriel hinzu.
Welches Versprechen er meint, sagte er nicht. Der frühere SPD-Chef Gabriel hatte im Jänner 2017 zugunsten von Schulz auf den Parteivorsitz und die Kanzlerkandidatur verzichtet, um Außenminister zu werden.
Verwirrung gab es in diesem Zusammenhang auch bezüglich Gabriels Teilnahme an der Münchner Sicherheitskonferenz in der nächsten Woche. Während ein Sprecher des Außenamtes am Donnerstag sagte, der Außenminister werde nicht dort sein, hieß es am Freitag, er werde doch teilnehmen. „Es ist nicht zutreffend, dass der Bundesaußenminister alle seine Termine abgesagt habe“, sagte ein Außenministeriumssprecher am Freitag in Berlin.
Aus der SPD gab es daraufhin öffentliche Zurechtweisungen Gabriels. „Niemand hat tatsächlich das Recht auf ein bestimmtes Amt“, sagte die thüringische Finanzministerin Heike Taubert am Freitag dem Deutschlandfunk.
Auch SPD-Vize Olaf Scholz wies die Kritik von Gabriel zurück. „Das Wichtigste ist, dass alle, die als Person in der Politik aktiv sind, immer einen Blick dafür behalten, dass es um die Sache geht - und in diesem Fall ist das unser Land“, sagte der Erste Bürgermeister von Hamburg am Donnerstagabend im ZDF-“heute journal“. Gabriel habe als langjähriger Parteivorsitzender und zuletzt als Außenminister „Hervorragendes geleistet“.
Scholz verteidigte die Entscheidung von Schulz, das Amt des Außenministers anzustreben. „Martin Schulz ist international vernetzt, er war Präsident des Europaparlaments“, sagte er. „Er ist jemand, der leidenschaftlich Außenpolitik und Europapolitik betrieben hat und das auch gut kann. Insofern ist das eine sehr nachvollziehbare Entscheidung.“ Seinen wohl bevorstehenden Aufstieg zum Finanzminister wollte Scholz in dem Interview nicht bestätigen.
„Zurück zu den Inhalten, und dann werden die Positionen besetzt - das ist die richtige Reihenfolge“, rief auch der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner am Freitag Gabriel zur Ordnung. „Ich glaube, dass wir gut beraten sind, darüber zu reden, um was es jetzt wirklich geht. Das ist die Zukunft Deutschlands und die Fragen, die in dem Koalitionsvertrag mit der Union eine Rolle spielen“, fügte Stegner gegenüber dem NDR hinzu. „Für alles andere habe ich wenig Verständnis.“
Die SPD-Parteilinke Hilde Mattheis kritisierte unterdessen Schulz und Fraktionschefin Andrea Nahles wegen deren Personalvorschläge. Unmittelbar nach der Annahme des Koalitionsvertrages mit der Union am Mittwoch hatten beide erklärt, Nahles solle den Parteivorsitz übernehmen und Schulz Außenminister werden. „Es geht nicht, wenn zwei Leute sich an der Parteispitze zusammensetzen und sagen, wir teilen jetzt die Partei unter uns auf“, sagte Mattheis dem NDR.
Juso-Chef Kevin Kühnert sagte Reuters-TV, die Ankündigung von Schulz, entgegen früherer Aussagen in die Regierung wechseln zu wollen, sei „fair“. Für viele SPD-Mitglieder sei Schulz‘ Erklärung nicht ganz irrelevant, weil sie nun entscheiden könnten, ob sie diese Kehrtwende mitmachen wollten, sagte der Wortführer der Gegner einer Großen Koalition. Die SPD-Mitglieder sind aufgerufen, bis Anfang März zu entscheiden, ob der Koalitionsvertrag angenommen werden soll.