Deutschland: Unmut über Koalitionsvertrag aus Union wird lauter

Berlin (APA/Reuters) - In Deutschland mehrt sich in der Union Kritik am Koalitionsvertrag und am Verlust des Finanzministeriums an die SPD. ...

Berlin (APA/Reuters) - In Deutschland mehrt sich in der Union Kritik am Koalitionsvertrag und am Verlust des Finanzministeriums an die SPD. Besonders der Wirtschaftsflügel meldete am Samstag Bedenken an und kündigte Korrekturen im Bundestag an. Der Vertrag sei keine Bibel, sagte CDU-Mittelstandspolitiker Christian von Stetten. „Die Gesetze werden im Bundestag gemacht, nicht bei Koalitionsverhandlungen.“

Was nicht durchdacht sei, könne aufgehalten und korrigiert werden. Die Abgabe des Finanzressorts nannte er einen großen Fehler. Ähnlich äußerte sich CDU-Haushaltspolitiker Eckhardt Rehberg im NDR: Das „löst bei mir sicher keine Begeisterung aus“. Fraktionschef Volker Kauder zeigte Verständnis. Wenn die Regierungsbildung aber daran gescheitert wäre, hätten die Bürger die Union für verrückt erklärt. SPD-Vize Olaf Scholz, der als Finanzminister gehandelt wird, versprach eine solide Haushaltspolitik.

Im Koalitionsvertrag sind nicht nur Sachfragen verankert, sondern auch bereits Ressort-Zuschnitte sowie die Parteizugehörigkeit, aber nicht die Namen der Minister. Dennoch kursieren Listen mit Personalien. SPD-Parteichef Martin Schulz hatte mit seiner Ankündigung, Außenminister werden zu wollen, bereits für solchen Ärger gesorgt, dass er Freitag seinen Verzicht auf ein Regierungsamt erklärte. Die SPD-Basis wird in einer Abstimmung bis Anfang März über den Vertrag entscheiden.

Wie schon aus der SPD kam jetzt auch aus der CDU Kritik daran, dass bisher kein Ostdeutscher als Minister im Gespräch sei. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff sagte im Bayerischen Rundfunk: „Bayern hat zwölf Millionen Einwohner und stellt drei Minister. Die neuen Bundesländer, die 1990 hinzugekommen sind, sind 15 Millionen Einwohner und haben keinen Ressortminister.“

Junge-Union-Chef Paul Ziemiak hatte bereits erklärt, viele in der Partei hielten den Vertrag für schlecht verhandelt. Zudem brauche es auch eine personelle Erneuerung. Er erwarte hier bis zum Parteitag Ende Februar ein klares Zeichen der Vorsitzenden Angela Merkel.

Von Stetten wies in der „Augsburger Allgemeinen“ daraufhin, dass die Wirtschaftspolitiker Vorhaben im Bundestag blockieren könnten: „Jetzt ist die Mehrheit nicht mehr so groß und die Regierung muss um jeden Abgeordneten kämpfen und jeden überzeugen.“

Fraktionschef Kauder sagte in der „Passauer Neuen Presse“, an der Frage des Finanzressorts habe man die Gespräche nicht scheitern lassen können: „Nach diesen ewigen Verhandlungen seit September! Das hätte kaum ein Bürger verstanden!“ Die Union sei Garant von Stabilität und Verlässlichkeit – auch wenn der Preis in dieser einen Frage ohne Zweifel sehr hoch gewesen sei. Der Vertrag stehe aber für finanzpolitische Stabilität. „In dem Text steht klipp und klar: Keine neuen Schulden im Bundeshaushalt! Keine Schuldenunion in Europa!“ Die Union werde darüber wachen. „Alleingänge eines SPD-Finanzministers kann es da nicht geben“.

SPD-Vize Scholz, der als Favorit für das Ressort gilt, versprach eine solide Haushaltspolitik - aber auch Änderungen mit Blick auf Europa. „Wir wollen anderen europäischen Staaten nicht vorschreiben, wie sie sich zu entwickeln haben“, sagte er dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“. „Da sind in der Vergangenheit sicherlich Fehler gemacht worden.“ Wichtig sei auch, sich um die Folgen des EU-Ausstiegs Großbritanniens zu kümmern. Deutschland werde die entstehende Lücke in den Finanzen der Gemeinschaft maßgeblich mitfüllen müssen, aber ganz sicher nicht alleine.

Der Hamburger Bürgermeister versprach zudem einen Bundeshaushalt ohne neue Schulden. Die „schwarze Null“ gelte auch für die SPD. In den nächsten Jahren stünden 1,4 Billionen Euro zur Verfügung. Für Mehrausgaben sei man auf zusätzliches Wirtschaftswachstum und entsprechende Steuereinnahmen angewiesen. „Bei allen zusätzlichen Wünschen müssen wir uns genau anschauen, was wir uns leisten können und was nicht.“