FPÖ

Ex-FPÖ-Politiker Brauneder leitet blaue Historikerkommission

Die Historikerkommission wird vom früheren Dritten Nationalratspräsidenten und emeritierten Professor für Rechtsgeschichte, Wilhelm Brauneder, geleitet.
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Mit einer „rot-weiß-roten Erklärung“ startet die FPÖ die Aufarbeitung der Parteigeschichte. Die Bestellung eines ehemaligen FPÖ-Politikers als Leiter der Historikerkommission stößt auf Skepsis.

Wien – Die Historikerkommission, die die Vergangenheit der FPÖ bzw. des Dritten Lagers aufarbeiten soll, wird vom früheren FPÖ-Politiker Wilhelm Brauneder geleitet. Das gaben Klubobmann Walter Rosenkranz, der geschäftsführende Klubobmann Johann Gudenus und Generalsekretär Harald Vilimsky bei einer Pressekonferenz Dienstagvormittag bekannt.

Der 75-jährige emeritierte Professor für Rechtswissenschaft saß in den 90ern für die FPÖ im Parlament und war Dritter Nationalratspräsident.

Die FPÖ hat gleichzeitig eine „Rot-weiß-rot Erklärung“ mit einem Österreich- und Europa-Bekenntnis formuliert. Darin werden Antisemitismus und Extremismus abgelehnt, aber auch der radikale Islam angeprangert. Diese Erklärung gelte als Startschuss und Ausgangsposition für die Aufarbeitung der Parteigeschichte, betonte Vilimsky.

Auch FPÖ-kritische Historiker dabei

In der blauen Historikerkommission sollen sich auch FPÖ-kritische Historiker einbringen, bekräftigte Klubobmann Walter Rosenkranz. Auch das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) solle „mit seinen Vorbehalten“ eingebunden werden. Man wolle alle, die sich kritisch mit der FPÖ auseinandersetzen, dazu bewegen, offen zu legen, „was in deren Archiven schlummert“.

Die FPÖ-Führung distanzierte sich einmal mehr von rechtsradikalem, antisemitischem und NS-verherrlichendem Gedankengut. Generalsekretär Harald Vilimsky bat darum, der „Rot-weiß-rot Erklärung“ der FPÖ besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Darin heißt es unter anderen: „Wir lehnen Extremismus nicht nur ab, sondern wollen auch all seine Ausprägungsformen mit Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Argumenten bekämpfen. Insbesondere werden wir auch gegen importierten Antisemitismus und gegen jenen Extremismus auftreten, der sich aus dem radikalen Islam nährt und zusehends in Europa Ausbreitung findet.“

„Können nicht in jedermanns Hirnkastl schauen“

„NS-Gedankengut hat bei uns keinen Platz“, sagte Rosenkranz. Dass FPÖ-Funktionäre immer wieder mit einschlägigen Aussagen auffällig werden, begründete er damit, dass „wir nicht in jedermanns Hirnkastl schauen können“. „Der unterschwellige Vorwurf, dass das bei uns latent geduldet wird, muss aufhören. Wenn jemand glaubt, er kann in der FPÖ nationalsozialistisches Gedankengut einfließen lassen oder uns als Vehikel dafür nutzen, dem kann ich sagen: Nicht das Parteiausschlussverfahren abwarten, sondern gleich gehen.“

Die FPÖ wolle durch die Historikerkommission, der auch eine parteiinterne Koordinierungsgruppe beigestellt wird, alle Vorwürfe aufgreifen und im Gedenkjahr 2018 „als historisch transparenten Partei“ die Zukunft gestalten. Dazu sollen „möglichst viele Interessierte einbezogen werden“. Über die genaue Zusammenstellung der Kommission entscheide Brauneder. Es könne aus einer Liste mit 30 bis 50 nationalen und internationalen Experten seine Kommission zusammenstellen.

Man wolle jedenfalls nicht „im eigenen Saft schmoren“, sondern auch bewusst dem Dritten Lager gegenüber kritisch eingestellte Forscher und Wissenschafter einbinden, vielleicht mittels „Hearing“. Das sei aber Sache des Kommissionsleiters. Wissenschaft solle sich nicht politisch lenken lassen. Die FPÖ strebe einen „breiten Prozess“ an, so Rosenkranz.

Burschenschaften werden nicht untersucht

Die deutschnationalen Burschenschaften, die eigentlich Auslöser der ganzen Causa sind, werden aber nicht Teil der Untersuchung sein, weil es sich um private Vereine handle. Da habe die FPÖ kein Durchgriffsrecht. Das könne nur freiwillig passieren. „Wir werden uns unserer Vergangenheit stellen. Als Teil der österreichischen Bundesregierung tragen wir besondere Verantwortung“, sagte Vilimsky.

Neben der Historikerkommission soll es auch eine Koordinierungsgruppe geben, die den Prozess „begleitet und steuert“. Diese Gruppe besteht aus FPÖ-Ehrenobmann Hilmar Kabas, FPÖ-Volksanwalt Peter Fichtenbauer, der Wiener Stadträtin Ursula Stenzel, der Dritten Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller, FPÖ-Klubdirektor Norbert Nemeth, den Nationalratsabgeordneten Reinhard Bösch und Harald Stefan sowie FPÖ-Urgestein und Parteikenner Andreas Mölzer.

Kritik an den FPÖ-Kritikern durfte bei der Pressekonferenz freilich nicht fehlen. Gudenus sprach von einer „hysterischen Gesinnungspolitik“ mit dem Ziel, „eine erfolgreiche Partei madig zu machen“. Er ortete eine.

Kritik an Brauneder als Leiter

Die Bestellung eines ehemaligen FPÖ-Politikers als Leiter jener Historikerkommission, die kritisch die Geschichte der Freiheitlichen beleuchten soll, stößt auf Skepsis. Für den Bund sozialdemokratischer Akademiker (BSA) ist dieses Vorgehen „nicht glaubhaft“. SOS Mitmensch hält eine Kommission unter der Führung von Wilhelm Brauneder für „befangen“.

„Offenheit und Transparenz sowie die Öffnung der Archive für Außenstehende sind unbedingt notwendige Voraussetzungen für eine echte Aufarbeitung der eigenen Geschichte. Die Geschichte der FPÖ ist zudem eng verknüpft mit jener der Burschenschaften – diese kann daher bei einer kritischen Aufarbeitung nicht einfach ausgeblendet werden“, kritisierte BSA-Präsident Andreas Mailath-Pokorny in einer Aussendung.

„Die Nominierung von Wilhelm Brauneder als Kommissionsleiter zeugt von der Angst der FPÖ vor echter Aufarbeitung. Brauneder hat an Veranstaltungen im rechtsextremen Milieu teilgenommen und in der rechtsextremen ‚Aula‘ Texte lanciert. Er ist befangen, weil er sich selbst zum Gegenstand seiner Untersuchung über die rechtsextremen Verstrickungen der FPÖ machen müsste“, so Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch.

Ähnliches gelte für zahlreiche Mitglieder der Koordinationsgruppe, so Pollak. So habe etwa Hilmar Kabas als Leiter des FPÖ-Bildungsinstituts über viele Jahre das rechtsextreme Magazin „Aula“ unterstützt und Andreas Mölzer habe dutzende Beiträge in dem antisemitischen und rassistischen Magazin publiziert und sei darüber hinaus durch rassistische Äußerungen aufgefallen.

„Rot-Weiß-Rot Erklärung“ im Wortlaut

In Verantwortung für unsere Heimat Österreich bekräftigen wir hiermit einmal mehr:

Die Freiheitliche Partei Österreichs bekennt sich vorbehaltlos zur Republik Österreich sowie zur Förderung von Demokratie, Parlamentarismus und Rechtsstaatlichkeit. Europa ist uns wichtig, Österreich tragen wir im Herzen. Zu unserer Heimat gehört unsere deutsche Sprach- und Kulturgemeinschaft genauso wie alle autochthonen Minderheiten.

Gewalt, Totalitarismus und Rassismus lehnen wir in jedweder Form ab. Unsere Ziele sind Frieden, Selbstbestimmung und Freiheit. Wir bekennen uns in diesem Zusammenhang dazu, dass alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind.

Eine besondere Verantwortung sehen wir in der Ablehnung des Antisemitismus. Diesbezügliche Vorfälle und Äußerungen verurteilen wir ausdrücklich. Dies hat in unserer Gemeinschaft keinen Platz.

Wir lehnen Extremismus nicht nur ab, sondern wollen all seine Ausprägungsformen mit Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Argumenten bekämpfen. Insbesondere werden wir auch gegen importierten Antisemitismus und gegen jenen Extremismus auftreten, der sich aus dem radikalen Islam nährt und zusehends in Europa Ausbreitung findet.

Die dunklen Kapitel österreichischer Geschichte werden wir nie vergessen und wir erteilen jeglicher Verharmlosung des Nationalsozialismus eine deutliche Absage.

Wir sind Österreich und allen Bürgern verpflichtet, die bereit sind, ihren Beitrag für eine gute Zukunft unserer Heimat zu leisten. In einem rot-weiß-roten Schulterschluss stehen wir für eine gemeinsame und gedeihliche Zukunft in Frieden, Freiheit, Respekt und Wohlstand.“

SOS Mitmensch kündigte an, der FPÖ-Kommission dennoch Material über die Verstrickungen der FPÖ in Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und neonazinahe Kreise zukommen zu lassen, zugleich werde aber auch die Öffentlichkeit informiert. „Wenn schon die FPÖ-Parteiführung offensichtlich kein Interesse an einer ernsthafter Aufarbeitung hat, wir und viele andere haben es“, so Pollak.

DÖW wäre bei Aufarbeitung dabei

Das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) wäre bei der Aufarbeitung der Geschichte der FPÖ mit dabei, solange es nicht nur um Reinwaschung oder eine reine Feigenblattfunktion gehe. Das sagte DÖW-Leiter Gerhard Baumgartner am Dienstag im Ö1-“Mittagsjournal“. Dass mit Wilhelm Brauneder ein FPÖ-Mann an der Spitze der parteiinternen Kommission stehen soll, stört ihn nicht.

Er kenne die Einladung zur Teilnahme an einem Hearing-Prozess nur aus den Medien, so Baumgartner. Eine offizielle Anfrage habe es noch nicht gegeben. Er wertete dies als Ausdruck der Wertschätzung für die Arbeit des DÖW. Die Initiative sei grundsätzlich zu begrüßen. Die Kommission sollte aus Baumgartners Sicht nach gewissen festgelegten Kriterien arbeiten können. Es müsse um eine ernsthafte, kritische wissenschaftliche Aufarbeitung gehen.

Aufzuarbeiten gebe es vieles, etwa mögliche Kontakte zwischen Burschenschaften (samt möglicher Querverbindungen zur FPÖ) und nach Südamerika geflüchteten Nazi-Kriegsverbrechern oder die Frage des Südtirol-Terrors und die Rolle Norbert Burgers. Für wünschenswert hält er eine Öffnung der Archive der Burschenschaften, um etwa zu klären, ob und wo das sogenannte „Waidhofner Prinzip“, also jener „Arierparagraf“, wonach Juden als nicht satisfaktionsfähig angesehen werden, noch gelte.

Sollte die Kommission all das nicht untersuchen, „dann hätte sie wenig Sinn“, so der wissenschaftliche Leiter des DÖW,“dann wäre es eigentlich nichts anderes als ein Reinwaschungsversuch“.

„Rechtsextreme sollten meiner Meinung nach nicht in Regierungsparteien sein“, so Baumgartner abschließend. Nichts einzuwenden hat er gegen den gestiegenen Einfluss von Burschenschaftern in der Freiheitlichen Partei, „wenn es nicht bedeutet, dass zunehmend rechtes oder rechtsextremes Gedankengut die Linie der FPÖ beeinflusst oder auch der Regierung“. (APA)