Der vergessene Klimt im Schrank
Die Geschichte um das verschollene und nun aufgetauchte Klimt-Bild “Zwei Liegende“ in Linz klingt wie der Stoff für ein Hollywood-Drehbuch.
Linz –Es ist ein wahrer Kunstkrimi, der sich zurzeit in Linz abspielt. Der Hollywood-reife Plot: Eine Sekretärin erhält von ihrem Chef, dem Museumsdirektor, aufgrund der Entdeckung einiger „Missstände“ Ende der 60er-Jahre die Zeichnung „Zwei Liegende“ von Gustav Klimt als Art Entschädigung. Ein Werk, das sich damals allerdings nur als Leihgabe im Museum befand. Jahrzehntelang galt das Werk als verschollen. Dann, im Dezember 2017, stirbt die Sekretärin, die die Zeichnung in einem Kasten aufbewahrt hatte. Gestern wurde bekannt, ab Freitag wird das Werk in der Ausstellung „1918 – Klimt, Moser, Schiele. Gesammelte Schönheiten“ im Linzer Lentos gezeigt. Reiner Zufall, wie Kulturdirektor der Stadt Linz, Julius Stieber, auf Nachfrage der TT bestätigte. Die Stadt selbst habe das Werk erst seit rund zwei Wochen wieder in ihrem Besitz.
Dabei sollte sich das Bild offiziell seit 1951 im heutigen Lentos befinden. Und zwar als Leihgabe von Künstlerin Olga Jäger – mitsamt drei Werken von Schiele. Nachdem der Klimt 1964 an die Albertina ausgeliehen wurde, verliert sich allerdings die Spur. Alle vier Werke gelten als verschollen, obwohl sich im Nachlass von Jäger ein Leihschein fand. Den die Erben auch mehrfach einlösen wollten: Nach erfolglosen Anfragen langt 2009 Klage bei der Stadt ein. Allein für die Schiele-Zeichnung „Paar“ wurde ein Wert von 100.000 Euro veranschlagt.
Mit dem Fall Gurlitt 2013 bekam der Fall neuen Aufwind. Die leise Hoffnung keimte auf, dass sich die verschollenen Werke in der in München entdeckten Sammlung von Cornelius Gurlitt befinden könnten. Schließlich war Gurlitts Vater Hildebrand mit dem Gründer der Neuen Galerie Linz, Wolfgang Gurlitt, verwandt. Gefunden wird nichts. Unterdessen ging der Rechtsstreit in die nächste Runde. Das rechtskräftige Urteil: Die Stadt Linz muss den Erben 8,24 Millionen Euro plus Zinsen zahlen. Ein klarer Fall. Bis zum Auftauchen von „Zwei Liegende“ vor wenigen Tagen. Der Anwalt der ehemaligen Sekretärin von Walter Kasten (von 1962 bis 1973 Direktor der Neuen Galerie Linz) übergibt die Zeichnung am 15. Jänner der Stadt Linz. Die Sekretärin, die 1977 pensioniert worden war und im Dezember 2017 verstarb, hatte den Klimt anscheinend als Art „Schweigegeld“ von Kasten erhalten. Und seitdem zuhause in einem Kasten versteckt. „Wir haben zwei Maßnahmen getroffen, erstens das Bild den Erben zum Rückkauf angeboten und es zweitens der Öffentlichkeit zugängig gemacht“, fasst Julius Stieber die weiteren Schritte der Stadt zusammen.
Ohne Zweifel noch nicht das letzte Kapitel dieses Kunstkrimis: Sowohl der Rechtsstreit um den Besitzanspruch des Klimts als auch der Verbleib der drei Schieles – die um einiges wertvoller sind als die nun aufgetauchte Zeichnung – sind ungeklärt. Fortsetzung folgt. Garantiert. (bunt)
Der Linzer Kunstkrimi: Eine Chronologie der Ereignisse
1951 Vier Werke (Klimts Zeichnung „Zwei Liegende“ und die Schiele-Bilder „Junger Mann“, „Tote Stadt“ und „Paar“ gehen als Leihgabe an die Neue Galerie Linz (heutiges Lentos).
1964 In der Albertina wird eine Klimt-Zeichnung, mutmaßlich die Linzer „Zwei Liegenden“, ausgestellt.
1965 Olga Jäger stirbt. In ihrem Nachlass befindet sich ein Leihschein für vier Bilder.
2006 Die zweite Generation der Erben fordert die Bilder zurück.
2016 Der OGH bestätigt Klage der Erben: Die Stadt Linz muss zahlen.
2017 Der OGH ordnet Wiederaufnahme des Falls an, nachdem bekannt wird, dass die Leihe bereits 1990 erstmals von der Erbin von Olga Jäger gekündigt wurde. Damit wäre die aktuelle Klage verjährt.
2018 Die Zeichnung „Zwei Liegende“ wird der Stadt übergeben.