Viele Symbole für den Sinn des Lebens
Juri Rechinsky erzählt in seinem Regiedebüt „Ugly” mit poetischen Bildern vom Verlust der Erinnerungen und der Liebe.
Innsbruck –In seiner Autobiografie „Bekenntnisse eines Schauspielers” erinnerte sich der britische Theater- und Kinostar Laurence Olivier auch an die Dreharbeiten zum Nazithriller „Der Marathon-Mann”, in dem er einen KZ-Arzt spielte, der in New York seine Entlarvung fürchten musste, und um Gewissheit zu erlangen, den von Dustin Hoffman gespielten Zeugen als Zahnarzt einer schmerzhaften Befragung unterzieht. Um glaubhaft rüberzukommen, verzichtete Hoffman drei Tage lang auf Schlaf und Körperhygiene. Olivier belohnte die Method-Acting-Mühe allerdings nur mit dem Kommentar „Das kann man doch einfach spielen!”.
Man muss den Realismus nicht übertreiben, der oft schon an lächerlichen Bärten und Perücken scheitert und vom Publikum ohnehin nur selten belohnt wird. Für den Regisseur Juri Rechinsky wäre Oliviers Buch vielleicht die passende Lektüre gewesen, um Angela Gregovic, der Hauptdarstellerin seines Spielfilmdebüts „Ugly”, Unannehmlichkeiten zu ersparen. Die serbische Schauspielerin durfte sich zur Vorbereitung ihrer Rolle als Unfallopfer in einem Krankenhaus in der Ukraine sechs Wochen lang nicht waschen. Doch der Film beginnt ohnehin mit einer Duschszene, bei der sie von Jura (Dmitriy Bogdan) mit eiskaltem Wasser traktiert wird. Die kreischende Frau beginnt die Tortur bald zu lieben, in der folgenden Sequenz liegt sie nach einer Autofahrt, nur noch an Schläuchen mit dem Leben verbunden, zwischen anderen röchelnden Patienten in der Intensivstation eines Krankenhauses, das ebenso eine Renovierung vertragen könnte.
In einer Designervilla am Neusiedler See versucht Martha (Maria Hofstätter) Ordnung in ihre Erinnerungen zu bringen. Sie scheitert aber schon an den durcheinandergewürfelten Tafeln mit den Benennungen der Monate. Joseph (Raimund Wallisch) bittet Freunde zu einem Geburtstagsfest, Marthas Tochter spielt auf dem Piano etwas von Bach. Anschließend torkeln Martha und Joseph in ihr Schlafzimmer, wo Rechinsky eine Hommage an den Koproduzenten Ulrich Seidl inszeniert.
„Ugly“ ist ein langsames, oft quälendes, mit grandiosen Bildern (von Wolfgang Thaler, der sonst Seidls Filme fotografiert) erzähltes Stück Kino. Übrig bleibt aber nur, egal, ob in der beschädigten Kleinfamilie in der Ukraine oder im Bürgertum am Neusiedler See: Das Schicksal setzt den Hobel an. Und Angela Gregovic, die sich nicht waschen durfte, ist inzwischen mit dem aus Turkmenistan stammenden und in Wien lebenden Regisseur Juri Rechinsky verheiratet. (p. a.)