Hickersberger wird 70: Cordoba, Färöer-Pepi und Doppel-Teamchef
Statt einer großen Party trat Josef Hickersberger vor seinem runden Jubiläum die Flucht in den Süden an. Auf die markanten Erlebnisse seiner Karriere blickt der seit heute 70-Jährige gelassen zurück.
Wien – Für so manchen Jubilar ist ein runder Geburtstag die Gelegenheit, eine Party im großen Stil zu schmeißen. Josef Hickersberger hat einen anderen Zugang gewählt: Schon Tage vor seinem 70. Geburtstag am Freitag verabschiedete sich der einstige ÖFB-Internationale, Teamchef und Rapid-Meistermacher nach Spanien, wo er bis Mitte Mai bleibt. „Um den Feierlichkeiten zu entgehen“, sagte „Hicke“.
Dabei gäbe es einige Ereignisse, auf die Hickersberger anstoßen könnte. Der gebürtige Niederösterreicher gehörte etwa zu jener legendären ÖFB-Auswahl, die Deutschland bei der WM 1978 in Cordoba 3:2 besiegte. Dabei handelte es sich um sein 39. und letztes Länderspiel.
Meister mit Rapid und Austria
Hickersberger legte eine erfolgreiche Spielerkarriere in der deutschen Bundesliga bei Kickers Offenbach und Fortuna Düsseldorf hin, ist einer der wenigen Spieler, die mit Austria und Rapid Meister wurden, holte mit dem FC Wacker den Cup-Sieg und ist der einzige Trainer, der zweimal langfristig als österreichischer Teamchef fungierte und das Team bei zwei Endrunden (WM 1990, Heim-EM 2008) betreute. 56 Länderspiele saß Hickersberger auf der ÖFB-Bank, nur der legendäre Wunderteam-Coach Hugo Meisl (133) schaffte in der Zwischenkriegszeit mehr.
Und dennoch bleibt seine Nationalteam-Zeit mit der vielleicht größten Blamage des österreichischen Fußballs verbunden - dem 0:1 am 12. September 1990 in der EM-Qualifikation gegen die Färöer. Dieses Spiel sieht Hickersberger mittlerweile relativ gelassen, doch auch eine gewisse Fassungslosigkeit ist geblieben. „Wenn es nach Spielanteilen und klaren Torchancen geht, kann man die Partie eigentlich nicht verlieren. Aber es ist passiert. Das war bitter, doch ich kann es nicht mehr ändern.“
Den Vorwurf, man habe die Amateur-Truppe vor deren erstem Bewerbsmatch nicht ernst genommen, will Hickersberger jedoch nicht auf sich sitzen lassen. „Ich wehre mich heftig dagegen, dass die Vorbereitung angeblich mangelhaft war oder wir sie unterschätzt haben.“
Morddrohung vor DDR-Match
Nach der Niederlage nahm der Coach den Hut und wurde als „Färöer-Pepi“ abgestempelt. „Es ist mir ganz einfach schlecht gegangen, weil man selbst nicht glauben kann, dass einem so etwas passieren kann.“ Immerhin habe er damals keine Morddrohungen erhalten. „Die hat es nur einmal gegeben: Falls ich Toni Polster gegen die DDR aufstelle“, erzählte Hickersberger.
Er setzte am 15. November 1989 trotzdem auf den Goalgetter, und der dankte es mit drei Toren zum 3:0-Sieg, was die Teilnahme an der WM 1990 bedeutete. Dort setzte es zum Auftakt 0:1-Niederlagen gegen Italien und die CSFR, ehe zum Abschluss noch ein 2:1 gegen die USA gelang - es sollte der bis heute letzte Sieg Österreichs bei einem großen Turnier gewesen sein.
Zum Achtelfinal-Einzug reichte es in Italien nicht. „Aber damals war die Mannschaft zu jung und unerfahren. Es war schon überaus positiv, dass wir uns überhaupt qualifiziert haben, das hat uns niemand zugetraut.“
Nach der WM kam Landskrona, und Hickersbergers Trainer-Laufbahn schien am Ende. Doch sein Ex-Club Fortuna Düsseldorf gab ihm 1991 eine Chance, und „Hicke“ gelangen einige Prestigeerfolge wie etwa ein Auswärtssieg gegen den FC Bayern. 1993 heuerte er bei der Austria an und wurde zu Saisonende trotz Cup- und Supercup-Sieg entlassen. Es folgte ein langjähriges Engagement im arabischen Raum bei Al Ahli Manama (Bahrain/1995 - 1997), Bahrains Nationalteam (1996), Arab Contractors (EGY/1997 - 1999), Al Shaab (VAE/1999 - 2000), Al Wasl (VAE/2000 - 2001) und Al Ittihad SC (Katar/2001 - 2002).
Als Teamchef zur Heim-EURO
Unmittelbar danach ging Hickersberger zu Rapid. Die Hütteldorfer hatten damals mit Endrang acht unter Lothar Matthäus gerade die schlechteste Saison der Vereinsgeschichte abgeliefert und waren auch finanziell am Boden. Unter „Hicke“ gelang der Aufschwung, der im Meistertitel und in der Champions-League-Teilnahme 2005 gipfelte. Noch im Herbst dieses Jahres wurde sein Wechsel zum ÖFB mit 1. Jänner 2006 bekannt - die Chance, die Nationalmannschaft bei der EURO 2008 vor eigenem Publikum zu coachen, ließ sich Hickersberger nicht nehmen.
Beinahe hätte er es gar nicht so weit geschafft. Nach schlechten Testspiel-Ergebnissen stand Hickersberger zweimal vor dem Abschuss, rettete sich aber 2006 mit einem Sieg über die Schweiz und 2007 mit einem Erfolg über die Elfenbeinküste. Beim Turnier selbst war nach Niederlagen gegen Kroatien und Deutschland sowie einem Remis gegen Polen nach der Gruppenphase Endstation. „Doch die Begeisterung der österreichischen Fans war unglaublich. Da kann man nur dankbar sein, wenn man so etwas erleben darf. Leider ist der bittere Beigeschmack geblieben, dass wir nicht ins Viertelfinale gekommen sind.“
Hickersberger hätte nach der EURO 2008 Teamchef bleiben können, entschloss sich aber zu einer Rückkehr in die Emirate zu Al Wahda (mit Unterbrechungen von 2008 bis 2013) und arbeitete 2010 auch wieder als Nationaltrainer von Bahrain. Im selben Jahr stieß er mit Al Wahda als Meister der Emirate bis ins Viertelfinale der Club-WM vor. „Dass ich nach der EURO nach Abu Dhabi gegangen bin, war eine großartige Entscheidung.“
Rolle bei Rapid unklar
Nach seinem endgültigen Abschied von Al Wahda 2013 arbeitete Hickersberger nicht mehr als Trainer. Dafür ist er seit vergangenem Februar Beirat bei Rapid, wo sein Sohn Thomas als Co-Trainer engagiert ist. Über seine eigenen Kompetenzen bei den Hütteldorfern ist sich Hickersberger senior nicht ganz im Klaren. „Da blicke ich selbst noch nicht durch. Ich konnte bei der ersten Beiratssitzung nicht dabei sein, seither harre ich der Dinge, die auf mich zukommen.“
Bei öffentlichen Aussagen über Rapid hält sich der frühere Meistercoach zurück. Hickersberger meinte lediglich, dass Rapid „eigentlich jede Saison um den Titel mitspielen müsste“, allerdings „in den vergangenen Jahren offenbar einige falsche Personalentscheidungen getroffen wurden“.
In punkto Fan-Problematik gebe es kein Patentrezept, betonte der Jubilar, merkte jedoch an: „Ich kann es nicht aus eigener Erfahrung beurteilen, aber es hat den Anschein, als ob die Ultras zu viel Macht hätten.“. Der bald 70-Jährige war der bis heute letzte Trainer der Grün-Weißen, der von der organisierten Rapid-Fanszene regelmäßig mit Sprechchören gefeiert wurde.
Diese Zeiten sind für Hickersberger allerdings längt abgehakt. „Ich genieße das Leben und blicke nicht mehr zurück, weder im Zorn noch sonst irgendwie. Ich freue mich auf die verbleibenden und hoffentlich noch vielen Jahre.“
Steckbrief von Josef Hickersberger
Geburtsdatum: 27. April 1948, Kinder Michaela und Thomas
Geburtsort:
Amstetten (NÖ)
Laufbahn als Trainer:
1984: Badener AC
1986: FC Forchtenstein
1986: SV Traisen
1987: ÖFB-U21-Teamchef
1988 bis 1990: ÖFB-Teamchef (29 Länderspiele - 10 Siege, 7 Remis, 12 Niederlagen; Torverhältnis 36:39)
1991: Fortuna Düsseldorf
1993 bis 1994: Austria Wien
1995 bis 1997: Al Ahli Manama (Bahrain)
1996: Teamchef Bahrain
1997 bis 1999: Arab Contractors (EGY)
1999 bis 2000: Al Shaab (VAE)
2000 bis 2001: Al Wasl Dubai(VAE)
2001 bis 2002: Al Ittihad SC (Katar)
2002 bis 2005: SK Rapid Wien
1.1.2006 - 23.6.2008: ÖFB-Teamchef (27 Spiele - 5 Siege, 9 Remis, 13 Niederlagen; Torverhältnis 29:39)
Dezember 2008 - Mai 2010: Al Wahda Abu Dhabi (VAE)
Juni 2010 - Oktober 2010: Teamchef Bahrain
Oktober 2010 - Mai 2012: Al Wahda
April 2013 - Juli 2013: Al Wahda
Erfolge als Trainer:
1989: Qualifikation für die WM 1990
1990: WM-Teilnahme mit Österreich in Italien
1994: Vizemeister, Cupsieger und Supercupsieger mit Austria Wien
1996: Meister in Bahrain mit Al Ahli
2002: Meister und Cupsieger in Katar mit Al Ittihad SC
2005: Meister und Qualifikation für die Champions League mit Rapid
2008: Teilnahme an Heim-EM
2010: Meister in VAE und Teilnahme an Club-WM mit Al Wahda
Laufbahn als Spieler:
Stammverein (bis 1966): ASK Amstetten
1966 bis 1972: Austria Wien
1972 bis 1976: Kickers Offenbach
1976 bis 1978: Fortuna Düsseldorf
1987 bis 1980: SSW Innsbruck
1980 bis 1982: SK Rapid
Erfolge als Spieler:
1967, 1971: Cupsieg mit Austria Wien
1969, 1970: Meister mit Austria Wien
1978: WM-Teilnahme (in allen sechs Spielen eingesetzt)
1979: Cupsieg mit Wacker Innsbruck
1982: Meister mit SK Rapid
39 ÖFB-Länderspiele (5 Tore) von 1968 bis 1978, Mitglied des WM-Teams von 1978, das in Cordoba (ARG) Titelverteidiger Deutschland 3:2 bezwang