Wiener Festwochen - Leiter will kein „postkoloniales Diskursfestival“

Wien (APA) - Am 11. Mai eröffnen die zweiten Wiener Festwochen unter Tomas Zierhofer-Kin. Das Programm scheint heuer weniger spröde als im V...

Wien (APA) - Am 11. Mai eröffnen die zweiten Wiener Festwochen unter Tomas Zierhofer-Kin. Das Programm scheint heuer weniger spröde als im Vorjahr. Er habe die Kritik ernst genommen, sagt der Intendant im APA-Interview. Mit den Theater-Erneuerern Susanne Kennedy, Ersan Mondtag und Giselle Vienne will er kontinuierlich arbeiten. Mit dem Bund ist er „dialogbereit, aber ich weiß nichts und ich höre nichts.“

APA: Herr Zierhofer-Kin, Sie haben die überwiegend kritische Aufnahme Ihrer ersten Wiener Festwochen mit „kommunikativen Fehlern“ begründet. Entlassen haben Sie aber nicht Ihre Kommunikationschefin, sondern zwei Dramaturgen.

Tomas Zierhofer-Kin: Die ursprüngliche Überlegung war, möglichst ein demokratisches System im Programm zu schaffen, damit es keine hierarchischen Unterschiede gibt. Dadurch haben die vielen kleinen Formate sehr viel Raum eingenommen. Beim Durchblättern des Programmbuchs hatte man das Gefühl, es ist ein postkoloniales Diskursfestival. Das Programm hat ab einem gewissen Punkt eine Schlagseite bekommen: Es waren zu viele ähnliche Sachen drinnen, die sich mit ähnlichen Ästhetiken ähnlichen Thematiken gewidmet haben. Ein großes Festival braucht aber unterschiedliche Aussagen, unterschiedliche Dynamiken, unterschiedliche Medien, aber auch unterschiedliche Adressaten. Wir programmieren ab heuer wieder anders. Mir geht es schon darum, dass Kunst etwas ist, das nicht Diskurs folgt. Ich sage vielen jungen Performancekünstlern: Wenn ihr es sagen könnt, dann schreibt ein Buch oder haltet eine Rede, aber macht nicht Kunst daraus. Kunst ist für mich polyvalent. Diese eindeutigen Stellungnahmen, die wir in der Politik finden, haben in der Kunst nichts zu suchen. Da haben wir heuer gegengesteuert.

APA: Heuer finden sich kaum Eigenproduktionen des Festwochen, kaum Dinge, die sonst nicht stattfänden. Früher war das aber eine der zentralen Aufgaben des Festivals. Was ist da passiert?

Zierhofer-Kin: Bei den Produktionsbedingungen, die wir haben, ist es wahnsinnig schwierig, Produktionen hier zu machen, ohne sehr viel Geld zu verlieren. Die Festwochen haben keine Werkstätten, kein Ensemble. Ich kann also leider nicht nur Eigenproduktionen machen. Wir haben trotzdem heuer einige Uraufführungen, die wir auch beauftragt haben - wie etwa „Häusliche Gewalt Wien“ von Markus Öhrn, mit dem wir auch weiterarbeiten werden, wir haben zum ersten Mal Jean Michel Bruyere eingeladen und uns dazu entschieden, auch da ein Auftragswerk zu machen. Warum wir heuer kein großes Unterfangen im Programm haben, liegt daran, dass wir einige der großen Vorhaben aus logistischen Gründe ein bis zwei Jahre verschieben. Nächstes Jahr gibt es etwa eine sehr große Produktion mit Paul McCarthy, die hier in Wien entsteht. Natürlich wünscht man sich mehr solche Produktionen zu machen. Ein Gastspiel ist dagegen für mich eher vergleichbar mit einem „toten Fisch“. Das soll aber keine Beleidigung sein, sondern meint, dass die Chance dabei ist, es in einem neuen Kontext zu präsentieren, um es wieder lebendig zu machen.

APA: Hätten Sie sich mehr Langmut seitens der Politik gewünscht - zwei, drei Jahre, um zu sehen, ob Ihr Konzept Wirkung entfaltet?

Zierhofer-Kin: Auf jeden Fall braucht so ein Konzept Zeit, sich zu entwickeln. Mir ist aber klar, dass die Erwartungshaltung bei so einem großen Festival schon auch ist, mehr zu präsentieren und weniger zu argumentieren. Das ganze Festival als einen Prozess zu definieren, wird nicht funktionieren. Ich glaube, dass man Freiräume schaffen muss, die man aber sehr gut definieren muss. Ein Traum von mir wäre etwa, Künstlerinnen und Künstler ein, zwei Mal im Jahr einzuladen, sich in lockerer Form miteinander zu konfrontieren. Ich bin auch nach wie vor am Arbeiten an anderen Formaten, die mehr die Struktur eines ephemeren Museums haben. Da haben dann auch 20-Minuten-Performances wie „Becoming an Image“ von Cassils ihren Platz.

APA: Sie wollten an die Tradition der großen Festwochen-Ausstellungen anschließen. Die fehlt heuer wieder.

Zierhofer-Kin: Wir hatten heuer etwas vor, aber es funktioniert nicht jedes Jahr, und das muss es auch nicht. Wir sind jetzt für 2019/20 extrem dahinter. 2020 agglomeriert sich, wie es jetzt aussieht, wieder stark ein Musiktheater-Schwerpunkt. Aber manchmal gibt es eben Projekte, die man verschieben muss.

APA: Apropos verschieben: Was ist mit Susanne Kennedys zunächst angekündigter „Medea.Matrix“ mit Birgit Minichmayr im Vorjahr passiert?

Zierhofer-Kin: Das war dann technisch und auch zeitlich absolut unmöglich. Es wäre ein irrsinniger Aufwand gewesen. Aber ich bin sehr froh, dass Susanne Kennedy, die ich persönlich sehr schätze, heuer kommt. Ich hab auch ihre neue Arbeit an der Volksbühne gesehen, „Women in Trouble“. Das ist härteste Kost. In dem Fall sind „Die Selbstmord-Schwestern“ besser, um ihre Arbeit einmal dem Wiener Publikum vorzustellen. Auch Ersan Mondtag war noch nie in Wien, und Giselle Vienne war ewig nicht mehr hier. Wir wollen mit allen Dreien kontinuierlich arbeiten, aber es kommen 2019 noch neue Namen dazu. Ich glaube, dass es auch die Aufgabe der Festwochen ist, neue Namen und neue Ästhetiken einzuladen.

APA: Vor eineinhalb Jahren haben Sie angekündigt, dass sich bei der Festwochen-Eröffnung am Rathausplatz etwas ändern müsse, dass dies aber im ersten Jahr noch nicht gelungen sei. Im zweiten Jahr auch nicht, wie es scheint?

Zierhofer-Kin: Es wird schön und interessant, dieses Jahr mit Voodoo Jürgens, dem Nino aus Wien, Gustav und vielen anderen. Die Eröffnung ist ja traditionell eine Einladung an die ganze Stadt, da gilt es, viele Geschmäcker unter einen Hut zu bringen. Ich würde mich aber in Zukunft trotzdem gerne mit der Stadt und dem ORF, der das live überträgt, noch einmal an einen Tisch setzen. Ich bin nach wie vor am Überlegen, ich möchte schon, dass das Dargebotene bei der Eröffnung auch widerspiegelt, was danach kommt. Ich hab ja das Donaufestival auch nicht mit der Blasmusik eröffnet.

APA: Während der Wiener Festwochen wird die neue Wiener Stadtregierung angelobt - ohne Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny, der sie geholt hat. Den „überleben“ Sie nun.

Zierhofer-Kin: Wir haben nach dem gemischten medialen Echo viele Stunden miteinander verbracht, um zu analysieren. Er hat vieles an Kritik an mich weitergegeben, und ich hab ihm sehr ehrlich erzählt, was für mich aufgegangen und was weniger aufgegangen ist. Wir haben uns auch bei der Entstehung des neuen Teams und Programms intensiv abgesprochen. Ich hätte mich gefreut, die restlichen Jahre mit ihm als Ansprechpartner machen zu können.

APA: Gibt es mit der Bundeskulturpolitik Berührungspunkte?

Zierhofer-Kin: Bislang noch nicht. Ich bin dialogbereit, aber ich weiß nichts und ich höre nichts. Ich bin, wie man auch auf Facebook nachlesen kann, ein massiver Kritiker dieser Regierung und der Zeichen, die diese Regierung setzt, aber vom Kunstbereich kriegt man relativ wenig mit. Ich habe in meinem Leben schon mit vielen konservativen Kulturpolitikern zu tun gehabt und man kann meist schon bald feststellen, was jemand will. Ich glaube, hier wird im Moment noch gar nichts gewollt. Erwin Pröll hat einmal gesagt: Wir können heute nicht darüber urteilen, was die große Kunst von morgen sein wird, deswegen müssen wir mit großem Respekt alles zulassen, um einen Nährboden zu bilden. Genau das muss man machen - und dabei vor allem Kunstformen unterstützen, die nicht in das herkömmliche Schema passen.

APA: Vom Kulturprogramm der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft ist bisher nur eine Ausstellung in Brüssel und ein Philharmoniker-Konzert bekannt. Was würden Sie sich wünschen?

Zierhofer-Kin: Jede Kulturpolitik, die sich darauf ausruht, dass es hier einen Mozart, einen Klimt, einen Schiele gegeben hat, ist unverantwortlich. Wir leben jetzt von etwas, für das wir überhaupt nichts können. Ich würde Künstlerinnen und Künstler aus der ganzen Welt einladen, um sich hier zu vernetzen. Damit könnte man ein Zeichen der Offenheit setzen.

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)