Rosamund Pike: „Ich baue mir erst jetzt die Karriere, die ich möchte“
Berlin/Wien (APA) - Nur ein-, zweimal in „7 Tage in Entebbe“ ist ihr Akzent hörbar: Für ihre Rolle der deutschen Linksextremistin Brigitte K...
Berlin/Wien (APA) - Nur ein-, zweimal in „7 Tage in Entebbe“ ist ihr Akzent hörbar: Für ihre Rolle der deutschen Linksextremistin Brigitte Kuhlmann im Thriller über die einwöchige Flugzeugentführung durch palästinensische und deutsche Terroristen im Juni 1979 lernte Rosamund Pike beeindruckend gut Deutsch. Weiterbildung, sagte die Britin in einer Interviewrunde in Berlin, sei schöner Nebeneffekt der Schauspielerei.
Frage: Wie schwierig war es, für den Film Deutsch zu lernen?
Pike: Das Schwierigste ist nicht, Deutsch zu lernen, sondern den englischen Akzent abzulegen; so zu tun, als wärst du Deutsche. Da reicht es nicht, „gut genug“ zu sein - entweder es funktioniert oder nicht. Nur Sie können beurteilen, ob es gelungen ist.
Frage: Schwierig muss es auch sein, sich in eine Terroristin hinein zu fühlen.
Pike: Es war so eine interessante Zeit in der deutschen Geschichte. Ich kann mir vorstellen, wie es sich angefühlt haben muss, in den 50er-Jahren Kind zu sein und dann in seinen Zwanzigern in den 70er-Jahren das Bedürfnis zu haben, sich gegen die Elterngeneration aufzulehnen und von der Nazizeit zu distanzieren. Daraus ist dieser Extremismus entstanden, natürlich auch aus einer gewissen Naivität. Da war Überzeugung, ein Gefühl, die Welt verbessern und Geschichte schreiben zu können. Aber wir wissen, dass etwa bei Andreas Baader auch Eitelkeit eine große Rolle gespielt hat.
Frage: Sie haben sich also intensiv mit dem Deutschland jener Zeit auseinandergesetzt?
Pike: Ja, denn mein Job ermöglicht es mir, regelmäßig zurück in die Schule zu gehen. Eine Figur kann nicht im Vakuum existieren. Diese Dinge prägen - egal, ob sie im Drehbuch erwähnt werden oder nicht. Es geht um eine gewisse Energie. Also habe ich mir Dokumentarfilme über diese Zeit angesehen, und TV-Auftritte von Ulrike Meinhof. Diese Freiheit, Rechtschaffenheit und Überlegenheit, die sie damals verströmt haben, spürt man geradezu, wenn man ihnen zuhört. Es gibt ein Interview mit einer Terroristin, in dem sie über ihre politischen Ideale spricht, und dann stockt, als sie auf ihre Mutterrolle angesprochen wird. „Es ist schwer“, sagt sie dann - und man sieht richtig, wie ihr Gehirn abschweift, und sich ein Riss auftut. Das habe ich für Brigitte genutzt.
Frage: War es diese Ambivalenz, die Sie an der Figur der Brigitte gereizt hat?
Pike: In den Aussagen der Geiseln schien Brigitte eigentlich sehr einseitig. Sie alle sagten, sie sei unangenehm gewesen - gewalttätig, unhöflich, einschüchternd, sehr aggressiv. Wilfried (Böse, gespielt von Daniel Brühl, Anm.) war viel menschlicher, zugänglicher. Aber wir haben keine Doku, sondern ein Drama gedreht, und ich habe mir eben gewisse Fragen gestellt. Neben der Unterstützung der Palästinenser und dem Verdammen Israels als kapitalistischen, faschistischen Staat war es eines ihrer Hauptmotive, Ulrike Meinhof aus dem Gefängnis freizupressen. Und zwar aus Schuldgefühlen. Brigitte war ja nicht unter den Anführern der Revolutionären Zellen - ihre Aufgabe war es, geheime Unterschlüpfe für diejenigen zu organisieren, die die Taten verübten. Doch dann flog ein Versteck auf und Ulrike wurde verhaftet. Brigitte hat sich verantwortlich gefühlt, und das hat sie angetrieben. Als Ulrike schließlich Selbstmord beging - was blieb ihr dann? Jose (Padilha, Regisseur, Anm.) erzählt die Geschichte so, dass Nuancen und Momente des Zweifels von Menschen in Machtpositionen sichtbar werden - ob nun bei den israelischen Ministern oder den Terroristen.
Frage: Sind Widersprüche in einer Figur für Sie essenziell, um ein Projekt zuzusagen?
Pike: Ja, auch dann, wenn es sich um heroische Figuren handelt. Ich verkörpere gerade ganz außergewöhnliche Frauen, etwa Marie Colvin, eine Kriegskorrespondentin der „Sunday Times“, die 2012 in Syrien getötet wurde. Ich bin überzeugt davon, dass ihre Brillanz nie ganz strahlen wird, wenn man nicht auch ihre Schwächen kennenlernt. Ich interessiere mich für Menschen - und kein Mensch hat nur eine Seite. So war es auch bei Brigitte: Es muss eine andere Seite an ihr gegeben haben, auch wenn sie diese den Geiseln gegenüber nicht gezeigt hat.
Frage: Sie haben Ihre Karriere mit Anfang 20 als „Bond-Girl“ Miranda Frost in „Stirb an einem anderen Tag“ begonnen. Hat Ihnen das Vorteile verschafft?
Pike: Für die Rolle als Terroristin, meinen Sie? (lacht) Ich kann seitdem jedenfalls sehr gut mit Waffen umgehen, das ist ein Vorteil. Abseits davon nicht wirklich. Es war eher ein Nachteil. Ich musste zweimal so hart kämpfen, um Rollen zu bekommen. Die allgemeine Wahrnehmung ist ja nicht gerade, dass die „Bond-Girls“ fantastische Schauspielerinnen sind. Dabei war ich eher die Schurkin, und Halle Berry war das Bond-Girl, das die Zuseher mögen sollten. Aber es hat Spaß gemacht, und es war ein guter Anfang. Bis heute war es das größte Set, auf dem ich je war.
Frage: Achten Sie heute mehr darauf, welche Rollen Sie auswählen?
Pike: In dem Alter habe ich keine bestimmte Richtung eingeschlagen. Zu dem Zeitpunkt, als ich besetzt wurde, hatte ich noch nie einen Bond-Film gesehen. Das klingt unglaublich, ist aber wahr. Ich glaube, erst jetzt baue ich mir die Karriere, die ich möchte. In meinen Zwanzigern war das alles Zufall. Diese Idee, wir könnten uns unsere Rollen aussuchen, ist eher ein Mythos. Man kann sich glücklich schätzen, als Schauspielerin Arbeit zu finden. Aber natürlich habe ich auch Fehler gemacht. Ich habe etwa in einer Videospielverfilmung namens „Doom“ mitgespielt, weil ich dachte, dass es nach „Stolz und Vorurteil“ lustig sein könnte, in einem Film mit „The Rock“ Monster zu töten. Aber es war ein schrecklicher Film und ich hätte nie zusagen dürfen.
Frage: Demnächst verkörpern Sie mit Marie Curie eine der bedeutendsten Wissenschafterinnen des 20. Jahrhunderts. Eine besondere Herausforderung?
Pike: Ja, weil sie ein Genie war. Diese Brillanz will ich vermitteln, und zugleich ihre komplexe Persönlichkeit. Für ihre Zeit war sie sehr modern und clever. Ich habe extra dreimal pro Woche Chemieunterricht genommen. Wie gesagt: Ich bin zurück in der Schule.
(Die Fragen stellte unter anderen Angelika Prawda/APA)
(ZUR PERSON: Rosamund Pike wurde als Tochter zweier Opernsänger im Jänner 1979 in London geboren. Ihr Kinodebüt gab sie 2002 im James-Bond-Film „Stirb an einem anderen Tag“; 2014 wurde sie für ihre Rolle der undurchsichtigen Amy in David Finchers Krimidrama „Gone Girl“ für einen Oscar nominiert. Zuletzt drehte sie das Kriegsreporterdrama „A Private War“, den Western „Hostiles“ und „Radioactive“ über Marie Curie ab.)
(S E R V I C E - „7 Tage in Entebbe“ startet am 4. Mai in den Kinos.)