Spendieren, nicht nur konsumieren
Ob Kaffee, Haarschnitt oder Schwimmbadbesuch: In Telfs kann man anderen Menschen all das und mehr über ein neues Gutscheinprojekt spendieren. Zielgruppe sind dabei laut Initiator Harry Triendl nicht nur Bedürftige.
Von Michael Domanig
Telfs –Was in Neapel schon seit über 100 Jahren fix zum Alltagsleben gehört, hält nun auf breiter Ebene auch in Telfs Einzug – die soziale Idee des „aufgeschobenen Kaffees“ (caffè sospeso). Das Grundprinzip ist dabei ganz einfach: Man bezahlt einen Kaffee oder ein Essen, ohne diese selbst zu konsumieren. Stattdessen landet die Spende in Form eines Gutscheins in einer Box und kommt somit anderen Menschen zugute.
Auch in einigen Tiroler Gemeinden besteht diese Möglichkeit bereits, etwa in Schwaz, Landeck, Reutte, Innsbruck oder, schon seit über einem Jahr, in Lienz. Das neue, im März angelaufene „Telfer Spendierprojekt“, initiiert vom bekannten Musiker und Multimediakünstler Harry Triendl, nimmt Impulse des Osttiroler Modells auf, ist allerdings in mehrerlei Hinsicht tirolweit einzigartig: Zum einen handle es sich um ein Ortsprojekt, das von der Marktgemeinde Telfs getragen wird und nicht auf einen Sozialverein oder einzelne Lokale beschränkt ist, betont Triendl. Zum anderen kann man in Telfs nicht nur einen Kaffee oder ein Mittagessen spendieren, sondern z. B. auch einen Besuch im Telfer Bad oder am Minigolfplatz, einen Haarschnitt oder sogar eine konkrete Dienstleistung beim Tierarzt.
Binnen eines Monats seien schon knapp 25 Betriebe mit an Bord, freut sich Triendl. Und nach Gesprächen mit der Gemeinde ist nun auch eine Ausweitung von Dienstleistungs- auf Handelsbetriebe, etwa auf Bioläden, möglich. „Irgendwann soll die Frage nicht mehr lauten: Wo kann ich spendieren, sondern: Wo kann ich nicht spendieren?“, nennt Triendl, etwas überspitzt, sein großes Ziel.
Was dem Initiator besonders wichtig ist: Das Telfer Spendierprojekt soll sich ausdrücklich nicht nur an bedürftige Menschen richten. Zwar werden die Gutscheine in den Spendier-Boxen einmal im Monat von Ehrenamtlichen eingesammelt und dann anteilig an den Sozialsprengel, die Vinzenzgemeinschaft und den Verein „Daheim in Telfs“ (Flüchtlingsunterstützung) verteilt, die die Gutscheine dann an ihre Hunderten Klienten weitergeben. Aber in Telfs besteht eben auch die Möglichkeit, die – über ein Hologrammsiegel gegen Fälschungen geschützten – Gutscheine persönlich weiterzugeben: „Wenn mir etwa der Nachbar beim Heckenschneiden geholfen hat, kann ich mich statt mit einer Schokolade mit einem Gutschein bedanken. Oder wenn ich will, dass mein Kind vernünftig essen geht, solange ich nicht da bin, kaufe ich einfach einen passenden Gutschein.“
Der erwünschte Nebeneffekt: Man soll gar nicht mehr wissen können, auf welchem Weg jemand zu einem Gutschein gekommen ist – und damit soll auch die Hemmschwelle sinken, ihn zu verwenden. „In anderen Orten hat man teilweise die Erfahrung gemacht, dass viele Leute die Gutscheine nicht einlösen, weil sie eine Stigmatisierung befürchten.“ Das soll in Telfs ganz anders sein.
Für Betriebe entstünden durch die Teilnahme keine Kosten, kein Aufwand und kein Risiko, stellt Triendl klar: „Sie haben das Geld ja sofort in der Kasse drin, so als ob ich etwa den Kaffee jetzt gleich konsumiert hätte.“ Das Spendierprojekt könnte den Partnern sogar mehr Umsatz bringen, ist Triendl überzeugt. Neu ist am Telfer Modell übrigens auch die Möglichkeit, statt eines Gutscheins einfach Bargeld in die Spendier-Box zu werfen. Dieses wird bei der Entleerung dann in Gutscheine umgewandelt.
Ein zentrales Ziel der Aktion sei es, Menschen aus ihrer Vereinsamung „wieder ins Sozialleben und die Gesellschaft hineinzuholen“, ergänzt Triendl. „Teilweise gehen die Leute gar nicht mehr raus – nun aber vielleicht doch wieder, etwa für einen Kaffeehausbesuch“, erklärt er. Vergangene Woche fand nun die erste Sammelrunde statt – und Triendl freut sich über einen „unglaublichen Erfolg“: Über 120 Gutscheine seien bereits in den (teils erst sei zwei oder drei Wochen aufgestellten) Spendenboxen gelandet – mehr als 70 für einen Kaffee, fünf für einen Bäderbesuch, drei für einen Haarschnitt und so weiter.
Triendl hofft, dass das Projekt so gut weiterläuft – und beispielgebend für andere Gemeinden werden möge, die Ähnliches versuchen wollen. Nähere Informationen und eine Liste der Partnerbetriebe findet man unter spendierprojekt.telfs.at.