Medien: Unerwartete scharfe Kritik an Orban aus den eigenen Reihen
Budapest (APA) - Unter der Überschrift „Scharfe Kritik an Orban aus den eigenen Reihen“ haben ungarische Medien am Wochenende über Reaktione...
Budapest (APA) - Unter der Überschrift „Scharfe Kritik an Orban aus den eigenen Reihen“ haben ungarische Medien am Wochenende über Reaktionen von Organisationen konservativer und christlicher Intellektueller auf die Lage in Ungarn unter der Regierung des rechtskonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orban berichtet.
Dabei handelt es sich um eine umfassende Streitschrift unter dem Titel „Wir nennen es erneut beim Namen“ des renommierten Batthyany-Kreises der Professoren, des Verbandes der Christlichen Intellektuellen und der Vereinigung der Ungarischen Bürgerlichen Zusammenarbeit.
Die Schrift wird von den Medien als Zeichen wachsender Unzufriedenheit regierungsfreundlicher Organisationen gegenüber Orban gewertet. Diese Organisationen „hätten unerwartet scharfe Kritik an Orban und dessen Politik geübt“, schrieb das Internetportal „Index.hu“. Das Portal zitierte den amtierenden Minister für Humanressourcen, Zoltan Balog, der der neuen Orban-Regierung nicht mehr zur Verfügung stehen wird.
Bei der Präsentation der Schrift hatte Balog erklärt, es bestünde großer Bedarf für einen Diskurs, auf dessen Grundlage die tatsächliche Leistung der Regierung, die Lage und Möglichkeiten Ungarns beurteilt werden können. Obwohl in der Schrift Orban oder regierungsnahe Oligarchen namentlich nicht genannt werden, zielten Hinweise und Äußerungen eindeutig auf diese hin, betonte das Portal.
In der Schrift wird kritisiert, dass „wenige auserwählte Menschen in unverhältnismäßig großem Maße Anteil an den Gütern haben, als ein strebsamer, jedoch über keine ‚guten‘ Beziehungen verfügender Bürger“.
In der Gesellschaft habe sich jenes Bild gefestigt, nach dem jene vorankommen, die sich „gut positionieren, und nicht jene, die mehr und besser lernen“, heißt es weiter. Seien Rechtsordnung und Institutionssystem nicht in der Lage, den moralischen Erwartungen der Gesellschaft Geltung zu verschaffen, würde die Glaubwürdigkeit der Personen des öffentlichen Lebens und das Vertrauen der Gesellschaft untergraben.
Die Autoren würden laut Portal kein Einverständnis zeigen hinsichtlich der „kämpferischen Wallungen“ Orbans und dessen „übertriebener Zentralisierung“. Ein ständiger Kampf nach Außen spreche für die Schwäche des Menschen bzw. seines Kollektivs. „Stärke ist kein ständiger Kampf nach Außen, sondern Ausdauer im Interesse des langfristigen Glücks der Geführten.“ Dies sei laut „Index.hu“ eine weitere Botschaft an den Premier.
Kritisiert wird ferner das immer stärkere Fehlen an Mäßigung im öffentlichen Leben, an dessen Stelle Machtarroganz, das Angeben mit Prestigekonsum treten. Die Autoren würden sich nicht über die Erscheinung freuen, nach der einzelne Politiker des öffentlichen Lebens Promigehabe zeigten. Der wichtigste Grund dafür könnte sein, dass es im öffentlichen Leben „nicht um Programme, nicht um Lösungsvorschläge für Wähler ginge, sondern um Charakter und Charaktermorde, also um politisches Marketing“. Wichtige Personen des öffentlichen Lebens sollten sich in großer Selbstmäßigung üben.
„Es ist ein großes Problem, wenn die Macht alles mittels Kraft durchsetzt. Das entspricht weder der Vernunft, noch dem Kriterium der langfristigen Beständigkeit.“ Die übermäßige Zentralisierung der Macht verweise auf „Mangel an Mäßigung“, weil man glaube, dass „nur wir die Dinge lösen können“. Hier erinnerte das Portal daran, dass die Machtzentralisierung in den vergangenen Jahren in Ungarn nur durch einen Mann, nämlich Viktor Orban, durchgeführt wurde.
Die Autoren formulierten ihre Enttäuschung hinsichtlich des letzten Regierungszyklus. „Nach den Wahlen 2014 haben wir auf Konsolidierung gewartet.“ Nach dem anfänglichen Schwung hätte es der Stärkung und der Ausgeglichenheit, der Entfaltung des tatsächlichen Inhaltes der christlich inspirierten Politik und der Vertrauensbildung bedurft. Einzelne Politiker seien „machtmüde“, was damit zusammenhängen würde, dass „der Mensch die Macht nach einiger Zeit als Konsumgut betrachtet“.
Im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen vom 8. April erklärten die Autoren der Schrift: Wenn die Macht mit den Mitteln der modernen Masseninformation die Masse der Wähler beeinflusst, wenn sie gesteuerte Fragen stellt, dann demonstriert, welche Einheit dahinter steht, dann würde der christliche Mensch die Tugend der Klugheit vermissen. „Unserer Anschauung liegt jene Art der Kommunikation fern, die den Menschen nicht als entscheidungsfähigen Partner ansieht, den man überzeugen muss, sondern als eine solche Masse, deren Meinung zu formen ist.