Altes Medikament schützte im Mausmodell vor erblichem Darmkrebs

Wien (APA) - „Erblicher Darmkrebs: Wirkstoff Mesalazin verringert Tumorbildung um 50 Prozent“, hieß es am Montag in einer Presseaussendung d...

Wien (APA) - „Erblicher Darmkrebs: Wirkstoff Mesalazin verringert Tumorbildung um 50 Prozent“, hieß es am Montag in einer Presseaussendung der MedUni Wien. Wie sich auf Nachfrage bei der Chirurgin Judith Karner-Hanusch (Chirurgische Universitätskllinik im AKH) herausstellte, sind das Erkenntnisse aus einer Maus-Studie aus dem Jahr 2014. Jetzt sucht man erst Probanden für den Beweis am Menschen.

Bei Mesalazin handelt es sich um einen alten entzündungshemmenden Wirkstoff (5-ASA), der in der Behandlung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen verwendet wird. Dass entzündungshemmende Medikamente (z.B. auch die Acetylsalicylsäure/Aspirin) wahrscheinlich in der Lage sind, Darmkrebs zu verhindern, dafür gibt es seit langem Hinweise aus wissenschaftlichen Untersuchungen. Besonders wichtig wäre das für Menschen mit einem erblichen Risiko für Darmkrebs. Dazu gehören Personen mit einem sogenannten Lynch-Syndrom, das die meisten Betroffenen an Mastdarmkrebs erkranken lässt. Prävention wäre deshalb enorm wichtig.

„Im Durchschnitt entwickeln 94 von 100 Betroffenen Tumore, bei Gabe des Wirkstoffs sind es nur noch 69. (...) Die Tumoranzahl wiederum reduziert sich von durchschnittlich 3,1 auf 1,4 pro Patient“, wurde die Chirurgin von der Chirurgischen Universitätsklinik (Leiter: Michael Gnant) in der Aussendung zitiert. Allerdings, das sind offenbar erst Schlussfolgerungen aus einem Mausmodell. Als die APA bei der Wissenschafterin telefonisch nachfragte, ob es sich bei den „Patienten“ um Menschen oder um Mäuse gehandelt hätte, erklärte sie: „Das ist im Mausmodell bewiesen worden.“ Die entsprechende Studie sei in der Aussendung ja zitiert. Diese Untersuchung stammt laut den Angaben der MedUni Wien von Benedikt Kortüm (als Autor erstgenannt), ebenso beteiligt war Christoph Gasche, Leiter des Labors für molekulare Karzinome und Mitglied des Comprehensive Cancer Center (CCC; Koordination: Christoph Zielinski). Publiziert wurden die Daten bereits im Jahr 2014.

In der in der Fachzeitschrift „Gut“ erschienenen Arbeit an Labormäusen finden sich für die Versuchstiere exakt jene Angaben, die am Montag für an Menschen bewiesen mitgeteilt wurden: „... Tumor-Neubildung (Inzidenz; Anm.) wurde durch Mesalazin von 94 auf 69 Prozent reduziert. (...) Die mittlere Anzahl von Tumoren wurde von Mesalazin von 3,1 auf 1,4 reduziert (...).“

In der Aussendung der MedUni Wien heißt es allerdings: „Nun hat ein internationales Forscherteam mit Wissenschaftern der Universitätsklinik für Chirurgie und der Universitätsklinik für Innere Medizin III herausgefunden, dass Lynch-Syndrom-Patienten, die den entzündungshemmenden Wirkstoff Mesalazin erhalten, seltener Tumore entwickeln und sich auch die Anzahl der Tumor-Neubildungen (Neoplasien) deutlich verringert.“

Genau das soll aber offenbar am Menschen jetzt erst bewiesen werden. Laut Judith Karner-Hanusch, versucht nun eine Wissenchaftergruppe aus Deutschland, Polen, Israel, Schweden, den Niederlanden und Österreich (MedUni Wien), die Erkenntnisse aus dem Mausmodell an vom Lynch-Syndrom Betroffenen nachzuvollziehen. Laut der Chirurgin sucht man deshalb Probanden. In Österreich sollen rund 500 Personen aufgenommen werden. Sie werden per Zufall in drei Gruppen aufgeteilt. Eine erhält zweimal täglich eine Placebo-Tablette. Die Angehörigen der zweiten Gruppe bekommen eine Tablette mit 1.200 Milligramm 5-ASA und eine Placebo-Tablette, in der dritten Gruppe kommen zweimal täglich 1.200 Milligramm 5-ASA zum Einsatz.

Es handelt sich also auch um eine Dosis-Findungsstudie der Phase II von klinischen Untersuchungen. Weder Probanden noch Ärzte wissen jeweils, wer was bekommt (doppelt verblindet). Die wissenschaftliche Untersuchung soll laut der Chirurgin zunächst bis Frühjahr 2019 laufen. Im Endeffekt soll sich im Rahmen der Studien herausstellten, ob Menschen mit Lynch-Syndrom bei regelmäßiger Einnahme von Mesalazin eher vor Tumoren geschützt sind.